Leitung: Maximilian Latz, Nadja Heckelsberg

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Die musikalische Familiensaga von Radical Face

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Ben Cooper hat 2011 unter dem Namen Radical Face das erste Konzeptalbum einer Trilogie herausgebracht, die das Leben einer Familie ab dem 19. Jahrhundert begleitet. Am 25. März ist mit The Family Tree: The Leaves der letzte Teil der Reihe erschienen.

www.radicalface.com (Screenshot)

Der Thematik von Family Tree ist Eva auf den Grund gegangen:



Familiy Tree ist eine Familiensaga. Mit den drei Konzeptalben The Roots, The Branches und The Leaves hat Ben Cooper unter seinem Pseudonym Radical Face einen musikalischen Generationenroman geschrieben, der bitterer und schöner nicht sein könnte.

So we start with my father as a boy barely spoke a word of english fell in love from a distance. He watched her working from the back fence.

He learned some words and some clever turns of phrase from his father's book of poets. She wasn't taken in that instant, but grew impressed with his persistence.

An den Wurzeln des Stammbaums steht William Northcote, ein eigentlich liebenswerter Mann, dem seine unberechenbare und hitzköpfige Art aber so manches Mal im Wege steht. Doch sein Verhalten kommt nicht von ungefähr. Das verrät Radical Face mit dem Song Family Portrait.

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In Family Portrait zeichnet William seine Geschichte auf. Er erzählt von seinen Eltern, wie sie sich kennengelernt haben, von seiner Mutter, die während seiner Geburt gestorben ist, von seinem Vater, der daran zerbrochen ist und von seiner Schwester Victoria, die deswegen schon früh die Mutterrolle in seinem Leben einnehmen musste:

Father turned into a drinker, a dark bastard with a wooden heart.
Sister learned to be a mother, before she never played another part.
And I became a little terror, I lashed out at whatever's around.
Took some time before I settled, to find a mind that was somewhat sound.
And like it always does, time rushed on.

Mit der Zeit wird William seinem Vater immer ähnlicher. Er fängt an zu trinken, seine Frau verlässt ihn eines Nachts mit ihren gemeinsamen Kindern. Verbittert zieht er los, um sich dafür zu rächen, will sie grün und blau schlagen.

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Wie das ausgeht? Erfahren wir nicht. Radical Face lässt uns im Dunkeln tappen. Zumindest vorerst.

And I said, this life ain’t no love song while I marched on blindly
And my knuckles dragged across the walls
And the birds up there mock me and the scenery’s turned wicked
And your name is trapped beneath my tongue

Williams Schwester Victoria verkraftet den frühen Tod ihrer Mutter und das Abrutschen ihres Vaters besser. Auch sie bekommt Kinder, ein Mädchen, und zwei Jungen, Zwillinge. Doch es scheint ein Fluch auf der Familie zu liegen.

Während Victorias Tochter dabei beobachtet wird, wie sie nachts schlafwandelt und ihr deswegen hexerische Fähigkeiten vorgeworfen werden, muss sie auch den frühen Tod ihres Sohnes Severus verkraften. Das trifft besonders dessen Zwillingsbruder Stone, der, wie in einem späteren Song klar wird, sein Leben lang damit zu kämpfen hat.

the sky was blue and my skin matched the hue
and I could hear mother crying in your room
from here on out I wear this face for both of us

Oft ist nicht direkt zu fassen, wessen Geschichte in den Songs erzählt wird. Trotzdem schafft Ben Cooper es, das Leben der einzelnen Familienmitglieder so beeindruckend zu erzählen, dass man als Zuhörer darin versinkt und wissen will, wie es weitergeht.

www.radicalface.com (Screenshot)

Wissbegierigen Fans hilft der Musiker, der eigentlich Romanautor werden wollte, auf seiner Website. Die Konzeptalben werden hier als Landkarte dargestellt, und so klickt man sich von Geschichte zu Geschichte, reist von einer Generation in die nächste.

But I am fine with where I am now
This home is home, and all that I need
But for you, this place is shame
But you can blame me when there's no one left to blame
Oh I don't mind

Die zusätzlichen Informationsbrocken helfen dabei, die Zusammenhänge der Familie zu verstehen, ihre Linie zu verfolgen. Ein nettes Hilfsmittel, aber kein Muss, denn die Familienmitglieder werden immer wieder von bestimmten Instrumenten und Melodien repräsentiert. Statt genetischen Eigenschaften, sagt der Musiker, vererben wir melodische Themen und "in jeder Generation zeigen sich neue Mutationen.“

Die Wahl der Instrumente hängt aber nicht nur damit zusammen: Befinden wir uns zuerst noch im 19. Jahrhundert, umhüllt von Klavier, Chor und Streichern und dem sanften, melancholischen Gesang von Ben Cooper, stoßen im zweiten Teil der Trilogie weitere Instrumente dazu, metallene Gegenstände werden zu wohlklingender Percussion - die Familie Northcote ist im Zeitalter der Industrialisierung angekommen. Und damit auch in der Zeit der Kinderarbeit.

Time is lost, found cracks along my bones
This metal god is all I know
Now something's gone away
And you know, somewhere in there you know
Our blood's in the machinery

Auch im zweiten Teil der Family Tree Saga konfrontiert uns Radical Face also mit den Problemen der Kindheit. Jede Generation hat mit ihren eigenen Gegnern zu kämpfen. Doch die Ängste bleiben die gleichen.
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Familie bedeutet für Radical Face aber nicht nur Blutsverwandtschaft. Und so erzählt er schon bald die Geschichte des Nachbarn, der sich in Williams Schwester Victoria verliebt hat, aber eine andere Frau heiratet. Der deswegen totunglücklich ist. Und seinen ehelichen, stummen Sohn sogar als Bestrafung für seine falsche Entscheidung ansieht.

Der Sohn fühlt sich unverstanden. Und macht den Gedanken wahr, den auch die meisten von uns wohl schon als Kind einmal hatten. In Mute, einem der schönsten Lieder des zweiten Konzeptalbums The Branches, reißt er von zuhause aus….

Well, as a child I mostly spoke inside my head
I had conversations with the clouds, the dogs, the dead
And they thought my broken, that my tongue was coated lead
But I just couldn't make my words make sense to them
If you only listen with your ears... I can't get in

Radical Face zeigt mit seiner Trilogie, welchen Einfluss nur eine einzige Person auf viele weitere Folgende haben kann. Was wäre gewesen, wenn William Northcotes Mutter damals nicht bei seiner Geburt gestorben wäre? Wenn sein Vater sich um ihn und Victoria gekümmert hätte? Wenn Victoria die Liebe ihres Nachbarn erwidert hätte?

Für sein Werk hat Ben Cooper Recherchearbeit betrieben, die der für einen Roman gleicht, und hat echte Stammbäume durchgewälzt, immer wieder.

Aber natürlich fließt auch das Leben seiner eigenen Familie in die Songs mit ein, seine eigenen Erfahrungen. Insbesondere auf der letzten Platte The Leaves ist das der Fall. Denn während seiner kreativen Phase musste Ben immer wieder schockierende familiäre Rückschläge einstecken.

Bei genauerem Hinsehen lassen sich viele Parallelen entdecken, zwischen den Geschichten, die er aus Sicht der erfundenen Familienmitglieder erzählt und seinen eigenen Erfahrungen.

Family Tree war für Ben Cooper ein Weg, sich als Geschichtenerzähler und Musiker zu verwirklichen, aber auch, seine eigenen Eindrücke zu verarbeiten. Erdrückend, aber gleichzeitig befreiend.

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Bittersüß ist auch das Ende der Family Tree Famililensaga, denn hier spricht nicht William, nicht Severus, nicht Victoria. Hier spricht Ben Cooper wirklich selbst- über einen der einschneidensten Momente seines eigenen Lebens. Bad Blood: Ein Song, den er wohl nie wieder spielen wird, auch wenn er so schön, und so ehrlich ist:

“Without giving too many gory details, it kind of covers me, getting kicked out of my house with 14, after getting kicked out after coming out to my folks. It kind of goes into i guess how when you dont quite fit in or play into peoples narratives…. you can become kind of easy to depose of or at least thats what i ran into”

Die drei Konzeptalben Family Tree vereinen die Geschichten vieler verschiedener Generationen und vieler verschiedener Familienmitglieder. Die der Nachkommen und Vorfahren von William Nortcote, und die der Verwandten von Ben Cooper. Damit ist Family Tree von Radical Face die wohl schönste musikalische Familiensaga, die je erzählt wurde.


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Am 11. April ist Radical Face bei uns in Köln in der Kulturkirche. Los gehts um 20 Uhr und die Daumen sind gedrückt, dass Ben Cooper auch The Mute spielen wird.

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