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Disney+ entfernt Filme mit rassistisch codierten Figuren aus Kinderprofilen

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Mehrere Filmklassiker wie Peter Pan, Aristocats oder Dumbo sind schon seit einiger Zeit nur mit einem vorgeschalteten Warnhinweis auf Disney+ zu sehen. Mittlerweile sind sie ganz aus Kinderprofilen entfernt worden und nur noch unter Aufsicht Erwachsener zu sehen. Mit den Hinweisen und der Sperrung will Disney+ kenntlich machen, dass die Filme klischeehafte und rassistische Darstellungen enthalten. Bei Peter Pan beispielsweise seien die amerikanischen Ureinwohner als sehr klischeehaft dargestellt und werden als „Rothäute“ bezeichnet. Auch seien manche Tänze in Peter Pan eine Form der kulturellen Aneignung und der Veralberung von indigenen Menschen. In Aristocats sei eine der Katzen eine rassistische Karikatur der ostasiatischen Kultur.

Bei den beanstandeten Filmen erscheint die Bemerkung: „Dieses Programm enthält negative Darstellungen und/oder eine nicht korrekte Behandlung von Menschen und Kulturen. Diese Stereotype waren damals falsch und sind es noch heute. Anstatt diese Inhalte zu entfernen, ist es uns wichtig, ihre schädlichen Auswirkungen aufzuzeigen, aus ihnen zu lernen und Unterhaltungen anzuregen, die es ermöglichen, eine integrativere, gemeinsame Zukunft ohne Diskriminierung zu schaffen.“

Uneinigkeit in der Debatte um rassistische Darstellungen in Kindermedien

Bei der Debatte, ob rassistische Darstellungen und bestimmte Begriffe aus Kinderfilmen und –büchern gestrichen werden sollen, scheiden sich die Geister. Das Argument, dass rassistische Darstellungen aus vorherigen Jahrhunderten nicht relevant seien, ist besonders bei Menschen ohne Rassismuserfahrungen zu finden: "Das sind Diskussionen, die für mich total skurril sind", so Kultusministerin Susanne Eisenmann der Deutschen Presse-Agentur. Man könne nicht im Nachhinein Dinge korrigieren, die vor 100 oder 200 Jahren entstanden seien und aus der heutigen Sicht nicht dem Zeitgeist entsprechen. "Das sind schöne Geschichten, bei denen sich die Autoren - aus ihrer Zeit heraus kommend - über gewisse Aspekte vielleicht gar keine Gedanken gemacht haben", sagt sie.

Medienwissenschaftlerin Maya Götz widerspricht: "Begegnen Kinder hier zum ersten Mal Menschen und Kulturen, die sich von ihrer eigenen unterscheiden, prägen sie sich das Bild und die Eigenschaften, die den anderen zugewiesen werden, besonders tief ein.“ Götz, die in München das Internationale Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) leitet, warnt: "Die ersten Eindrücke sind besonders resistent gegenüber Veränderungen. Entsprechend sensibel sollte ein Kinderprogramm mit Klischees und Stereotypen von Menschen und Kulturen umgehen." Die Medienwissenschaftlerin rät Eltern zur Vorsicht. Bestimmte Disney-Filme seien zwar Kulturgut. "Ich würde sie aber nicht für Vorschulkinder und sensible Erst- und Zweitklässler empfehlen, da sich in diesem Alter stereotype Weltsichten besonders nachhaltig verfestigen."

Warnhinweise führen nicht zwingend zu gemeinsamer Reflexion

Dr. Véronique Sina hat sich unter anderem auf die Darstellung von kulturellen Identitäten in populären Bildmedien und Comics spezialisiert. Die Medienwissenschaftlerin sieht dem ganzen ebenfalls kritisch entgegen: „Das ist zwar schön, dass man auf Disney+ jetzt einen Warnhinweis hat. Darauf kann man sich jedoch zu leicht ausruhen.“ Einen kurzen Warnhinweis zu schreiben sei schnell gemacht und beruhigt vielleicht einige Fans. Diese Bequemlichkeit sei jedoch nicht viel mehr, als ein Publicity-Stunt, der nicht viel bewirkt. „Das sind ganz viele Ebenen, die ineinander greifen und die man mühsam auseinanderklaffen müsste. Das ist natürlich anstrengend und zeitaufwendig. Und wird deshalb nicht gemacht“, so Sina. „Bei Disney darf man nicht naiv sein. Der Konzern tritt als Unschuldslamm auf, und steht bis heute für Family Entertainment. Und die Firma tut auch einiges, um dieses Bild aufrecht zu erhalten. Das liegt jedoch überwiegend daran, dass Disney Kohle machen will. Nicht daran, dass sie aktiv anti-rassistisch sind. Deswegen werden auch nur bequeme Wege wie Warnmeldungen angewendet. An den Produkten selbst wird nicht viel getan. Die Aufgabe der Aufklärung wird an die Eltern weitergegeben.“ Tatsächlich gibt es weiterhin keine Kontrolle darüber, im welchem Kontext rassistisch konnotierte Filme gesehen werden. Die Filme können immer noch ohne jegliche Reflexion gesehen werden. Die Warnhinweise können schließlich einfach ignoriert werden. Sina schlägt vor: „Es wäre aufgrund der rasanten technischen Entwicklung wahrscheinlich nicht allzu schwer, gewisse Szenen zu synchronisieren. Aber da kommt dann natürlich die Debatte über Zensur hinzu.“

„Das Wegstreichen rassistischer Artefakte führt zum Konversationsstopp.“

Die Schwarze Studentin Mahzy aus Köln sieht das anders. Sie kritisiert die Zensur von rassistischen Darstellungen: „Ich glaube, dass das Wegstreichen von rassistischen Ausdrücken und Äußerungen mehr Schaden als Gutes anrichtet. Letztendlich sind diese Filme eine Reflektion ihrer zugehörigen Zeit. Man kann aus diesen Filmen lernen und auch sehen, wie weit es die Gesellschaft bisher schon geschafft hat. Das Wegradieren solcher Medien führt eher zu einem Konversationsstopp.“ Nach der 24-jährigen sind reflektierte Anmerkungen der richtige Weg, um über Rassismus aufzuklären und marginalisierte Minderheiten zu vermenschlichen. Auch Filmwissenschaftlerin Michaela Krützen befürwortet das bewusste Deutlichmachen von rassistischen Darstellungsweisen. Durch reflektierte Warnhinweise können Vorurteile, Abwertungen oder Rassismus diskutiert werden. So könne auch Menschen die Augen geöffnet werden, die sich bisher nicht mit der Thematik beschäftigt haben.

Dr. Sina argumentiert: „Das ist genau die Problematik. Die Kategorien müssen wir, um sie bekämpfen und dekonstruieren zu können, immer wieder benennen. Und so werden sie natürlich immer wieder reproduziert.“ Die Medienwissenschaftlerin stellt sich jedoch die Frage, ob Betroffene wiederholte Konfrontationen mit rassistischen Ausdrücken wirklich ertragen müssen: „Und wie ist das für die Kinder, die betroffen sind und vielleicht zum ersten Mal damit konfrontiert sind, dass es das N-Wort gibt?“, kritisiert Sina. Die perfekte Lösung für die Debatte um Disney+ scheint es demnach noch nicht zu geben. Aber immerhin hat Disney+ schon mal einen Schritt in die richtige Richtung getan – auch wenn es möglicherweise nur eine Marketing-Strategie war.

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