Whataboutism - entweder wir reden über alles oder nichts
Verfasst von Lana Walder am
„Du gehst zu Klimademos und fährst trotzdem Auto? Wieso spendest du nicht was an arme Kinder, statt dir neue Sachen zu kaufen?“Solche oder so ähnliche Sätze hat bestimmt jeder von uns schon Mal gehört. Whataboutism wird nicht nur in der Politik, sondern auch in alltäglichen Situationen gern genutzt. Die Gesprächstechnik ist die regelrechte Suche nach dem Haar in der Suppe.
Steine sind wichtiger als Menschen
Als die Kathedrale Notre Dame am 15. April 2019 in Flammen stand, waren alle Blicke nach Paris gerichtet. Die Bilder der brennenden Kirche bewegten die Menschen weltweit. Innerhalb kurzer Zeit boten wohlhabende Spender*innen gigantische Summen, damit der Wiederaufbau des Weltkulturerbes finanziert werden kann.
Doch es gab auch viele kritische Stimmen. Sie konnten nicht nachvollziehen, wieso die Gelder nicht genutzt werden, um den Welthunger oder andere Missstände der Welt zu lösen. Menschen sind auf der Flucht, ertrinken dabei im Mittelmeer, verhungern und sterben an Krankheiten, die schon längst hätten geheilt werden können.
Und was ist mit…?
Auch wenn die Gelder an anderen Stellen dringender gebraucht werden, hat die Notre Dame so direkt nichts mit Hunger, Kriegen oder ähnlichem zutun. Die Gegenseite versucht also ein Argument hervorzubringen, indem sie an einen völlig anderen Sachverhalt erinnert und so einen Scheinzusammenhang erzeugen.
Diese Gesprächstechnik wird auch “Whataboutism” oder “Whataboutery” genannt.
Nach dem Oxford Dictionary kommt die Gesprächstechnik Whataboutism aus den 1990ern. Die Bezeichnung kommt daher, dass der Gegenvorwurf z.B. mit “Und was ist mit…?” oder “Was sagst du zu…?” beginnt.
Wie Whataboutism funktioniert
Es gibt drei Möglichkeiten, mit denen man durch Whataboutism von einem Thema ablenkt. Zum einen kann man an die Schuld von Dritten und einem völlig anderen Sachverhalt erinnern, wie etwa beim Fall der Notre Dame.
Außerdem kann man seine*n Gesprächspartner*in auf seine*ihre Schuld in einem völlig anderen Sachverhalt erinnern. Ein Beispiel dazu wäre ein Paar, welches sich wegen Eifersucht streitet. Dieser Auseinandersetzung überträgt sich dann auf ganz andere Themen und es kommt zu banalen Vorwürfen wie “Und du schließt nie die Zahnpastatube!”.
Die letzte Methode wäre, dem Gegenüber das Gefühl zu geben, seine Quellen wären unglaubwürdig. Das kann durch Aussagen, wie “Du weißt doch gar nicht, was du willst!” oder “Im Internet stehen doch eh nur Lügen” passieren.
Problem der Gesprächstechnik
Die Gesprächstechnik wird oft als unsachlich kritisiert, da das Gegenüber versucht auf andere Themen, in Form von Kritik oder Vorwürfen, abzulenken, anstatt auf Argumente zu setzen. Ein sachlicher und vernünftiger Austausch wird dadurch unmöglich, da jegliche Aussage relativiert wird.
Außerdem ist die Methode sehr manipulativ, da man meist in der Situation nur schwer erkennen kann, dass es sich um Whataboutism handelt und es dementsprechend nicht einfach ist mit einem sinnvollen Gegenargument zu antworten.
Der richtige Umgang
Falls man doch in der Situation ist, in der das Gegenüber versucht die Gesprächstechnik anzuwenden, sollte man sich nicht von dem unlogischen Scheinargument provozieren lassen. Außerdem kann es hilfreich sein, den die Gesprächspartner*in auf den fehlenden Zusammenhang hinweisen und zu bitten, beim eigentlichen Thema zu bleiben. Wenn man vermeiden möchte, dass sich das Gespräch auf eine unsachliche Ebene begibt, sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, ebenfalls den Whataboutism anzuwenden.