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Flugscham – berechtigt?!

Verfasst von Vanessa Lehmann am

Das Thema Flugscham kursiert seit einiger Zeit in den Medien. Instagram ist voll von hippen Selfies im Zug – Fliegende müssen sich rechtfertigen. Warum aber gerade das Fliegen? Ist der CO2-Fußabdruck von Flugreisen wirklich so schlecht? Und noch viel wichtiger: Ist der jährliche Flug nach Mallorca ab jetzt gestrichen?

Das Flugzeug ist ein Klimakiller

Betrachtet man die Statistiken, schneidet das Flugzeug im Vergleich zum Auto gar nicht so schlecht ab. Quarks zufolge liegt der Verbrauch pro Kopf auf 100km beim Auto bei etwa 19 kg und dem Flugzeug bei 21 kg. Die Daten und Berechnungsgrundlagen stammen vom Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu). Allerdings werden bei diesen Werten nicht alle Luftfahrtemissionen eingerechnet. So haben „Stickoxid, Wasserdampf, Feinstaub, Kondensstreifen und Veränderungen in Zirruswolken (Eiswolken) einen zusätzlichen Erwärmungseffekt“, wie aus einem Artikel der Deutschen Welle hervorgeht.

Die Schätzung, dass die Luftfahrt einen Anteil von etwa 2% am weltweiten CO2-Ausstoß trägt, rückt somit in ein anderes Licht. Martin Lange vom Bundesumweltamt weist auf den Aspekt hin, dass lediglich 3% der Weltbevölkerung im vergangenen Jahr geflogen sind. 18% seien überhaupt schon einmal im Leben geflogen. Somit produziert ein kleiner Teil der Weltbevölkerung eine große Menge CO2.

Flugscham – das schlechte Gewissen ruft

Soziologin Prof. Dr. Annette Schnabel von der Universität Düsseldorf erklärt, dass die Flugscham durch ein schlechtes Gewissen entstehe. Aus sozialpsychologischer Perspektive entwickelt sich Scham durch den Vergleich eines sozial erwünschten Zustandes mit einem aktuellen individuellen Ist-Zustand. Das Gefühl der Schuld resultiert also aus der „Kluft zwischen Gemeinwohlorientierung und egoistischem Eigeninteresse“. Das Fliegen ist erst in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. „Die Diskussion um den Klimawandel und das „bridging“ von weltzerstörendem Klimawandel mit erhöhtem Flugaufkommen hat hier zu einem erfolgreichen Re-Framing vom Fliegen geführt.“ Das moralische Dilemma, ob man fliegt oder nicht, wird nun individuell abgearbeitet.

Das Gewissen freikaufen

Es gibt mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, das schlechte Gewissen zu besänftigen. Julia Zhu von atmosfair, einem Unternehmen, das die Möglichkeit bietet, den eigenen Flug zu kompensieren, spricht von einem deutlichen Anstieg der Kompensationszahlungen seit Sommer 2018. So seien „40 % mehr Klimaschutzbeiträge als im Vorjahr eingegangen“. Allerdings sei es rein physikalisch gar nicht möglich, die Wirkungen eines Fluges auf das Klima vollständig auszugleichen. Kompensation sei daher nur die zweitbeste Möglichkeit, wenn sich ein Flug nicht vermeiden lasse.

Flugscham in der Praxis nicht erkennbar

Während die Zahl der Inlandsflüge in Schweden um 8 Prozent gesunken ist, macht sich die Flugscham in Deutschland zahlenmäßig (noch?) nicht bemerkbar. Ganz im Gegenteil: Christian Hinkel, Pressesprecher des Düsseldorfer Flughafens, spricht von einem Rekordergebnis die Verkehrs- und Passagierzahlen betreffend. Auch an anderen Flughäfen in Deutschland sieht das nicht anders aus. Der Deutsche Reiseverband spricht davon, dass die „Lücke zwischen nachhaltiger Einstellung und nachhaltigem Verhalten auf Urlaubsreisen weiterhin sehr groß ist“. Das betreffe auch die Kompensation. Lediglich 2% der Flugreisen seien kompensiert worden.

Nie wieder Mallorca?

Es geht nicht darum nie wieder zu fliegen. Oder mit dem Finger auf Menschen zu zeigen, die fliegen. Und es geht schon gar nicht darum, dass Leute, die ein ganzes Jahr auf den Mallorca-Urlaub gespart haben, nun verzichten müssen. Es gilt vielmehr, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was das Fliegen anrichtet. Darüber nachzudenken, ob ein Flug von Köln nach Berlin wirklich notwendig ist. Gleichzeitig sollte bedacht werden, dass auch das Autofahren schlecht für die Umwelt ist, und das kommt im Zuge der Flugscham viel zu kurz.


 








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