Storyteller | Sneating Bitch
Verfasst von Katharina Ded am
Oh man, bin ich aufgeregt! Es regnet draußen, was ziehe ich jetzt an? Der Regen ruiniert meine Outfit-Pläne für heute Abend. Ich stöbere im Kleiderschrank nach etwas Passendem für mein Date. Vielleicht hohe Schuhe und dazu ein Oberteil mit viel Ausschnitt? Nein, das wird ihn nur auf dumme Gedanken bringen. Aber reizvoll sollte es schon aussehen. Was denkt er jetzt gerade? Und wie bereitet er sich auf heute Abend vor? Ihn in echt zu sehen, wird noch mal ´was anderes sein.
Der Kontakt über Tinder war ja schon richtig gut. Ich hätte echt nicht gedacht, dass wir uns so normal unterhalten können. Endlich mal einer, der nicht flach mit „hey Hübsche“ oder „geiler Arsch“ ankommt. Er ist wirklich witzig und intelligent. Vor allem gibt er mir aber das Gefühl, mit ihm auf der selben Wellenlänge zu sein. Hoffentlich bleibt mein guter Eindruck von ihm auch nach dem Essen so erhalten. Ist schon irgendwie klassisch, beim ersten Date in ein Restaurant zu gehen.
Na endlich, mein Outfit ist zusammengestellt, das Parfüm aufgetragen und die Haare on point gestylt. Die hohen Schuhe bleiben auf Cocos Rat hin heute zu Hause. Sie ruft mir vor’m Gehen aus der Küche noch etwas zu. „Entspann‘ dich Chica, er ist auch nur ein Kerl“ – „Ja, du hast ja Recht. Aber vielleicht könnte es heute ja doch noch was werden“ – „Wie, willst du schon nach dem ersten Date mit ihm schlafen?“ – „Ach Quatsch, ich meine, es könnte sich heute vielleicht zeigen, ob er Beziehungsmaterial ist“ – „Chica, geh‘ erst mal mit ihm essen, lass‘ dir einen ausgeben und entscheide dann erst, ob du ihn überhaupt wieder sehen willst“ – „Coco, wir leben im 21. Jahrhundert. Ich bin nicht so eine, die sich von Typen ´was ausgeben lässt“ – „Also ICH an deiner Stelle würde ihn die Rechnung zahlen lassen“ – „Ja aber nur, weil du chronisch pleite bist.“ Mit diesen liebevollen Worten verlasse ich die Wohnung und mache mich auf den Weg Richtung Rudi.
Ich komme am Weihnachtsmarkt vorbei und mir fällt das rege Treiben an den Ständen auf. Eigentlich würde ich lieber mit ihm an einem Stand Glühwein trinken und versuchen, mich an ihn zu schmiegen. Ich warte jetzt schon seit 20 Minuten auf ihn. Langsam kenne ich die Sprüche der Werbetafeln am Rudolfplatz auswendig. Oh, er schreibt mir! „Bin schon im Restaurant, wo bleibst du?“ Hä, ich dachte, wir treffen uns am Rudi und laufen gemeinsam zum Laden? Egal, ich will ihn nicht länger warten lassen. Na toll! Jetzt bin ich beim dahin rennen in eine Pfütze gestolpert und mein Hosenbein ist total nass! Matze hätte mir jetzt sowas wie „das ist aber ein schlechtes Omen“ in’ s Ohr gelegt… Jetzt schreibt er sogar gerade. „Viel Glück! Hab’s von Coco gehört. Falls es mies läuft, ruf‘ mich an.“ Tse, dieser Matze, immer nur am Schwarzmalen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Matze heute als Backup gar nicht brauchen werde.
Geschafft, endlich da. Das Restaurant sieht gehobener aus, als der Name es anmuten lässt. Zum Glück bin ich vorbereitet. Da, ich sehe ihn! Wow, er sieht wirklich gut aus. Puh, die Bilder auf Tinder haben nicht gelogen. Super, jetzt werde ich noch nervöser. Reiß‘ dich zusammen, Mädel. Et is noch immer joot jejange. Er hat echt ein schönes Lächeln. Wie süß, er rückt mir den Stuhl an. Ich mag die Art, wie er spricht. Jetzt, wo ich seine Stimme höre, kann ich mir besser vorstellen, wie er auf Tinder seine Nachrichten an mich geschrieben hat. Es passt alles so gut an ihm zusammen. Ich muss echt aufpassen, dass ich nicht dahin schmelze. Selbst beim Essen Bestellen beweist er Geschmack. Ich kann gar nicht aufhören zu lachen und zu grinsen. Also wenn er kein Volltreffer ist, dann weiß ich auch nicht mehr. Mhh, vielleicht gehe ich ja doch mit ihm nach Hause…
Das war echt lecker! Für den Preis darf man das ja auch erwarten. So langsam könnte jetzt die Rechnung kommen. Oh, macht er seine erste Klopause etwa früher als ich? Er geht nicht Richtung Toiletten. Was will er draußen? Auf Tinder steht, dass er Nichtraucher ist. Okay, eine kleine Lüge ist zu verschmerzen. Er unterhält sich draußen beim Rauchen mit einer anderen. Ob die wohl seine Mitbewohnerin ist? Ich werde jetzt selbst mal eine kleine Auszeit nehmen und mich auf der Toilette frisch machen… Er steht ja immer noch draußen mit der Einen. Moment mal, hat er ihr jetzt gerade an den Arsch gefasst? Küssen die sich etwa? Der Kellner steht vor mir und hält mir die Rechnung unter die Nase. Etwas perplex starre ich ihn an. „Das macht dann 52 Euro“ – „Ehm, ich zahle getrennt“ – „Der junge Mann hat mir versichert, dass Sie die Rechnung übernehmen werden.“ – „Warten Sie kurz, er steht noch draußen. Ich kläre das jetzt mit ihm.“
Von wegen, er steht noch draußen. Der Typ hat sich offensichtlich mit dieser Ische aus dem Staub gemacht. Jetzt sind immer mehr Leute auf der Straße und ich kann ihn nicht entdecken. Der Kellner schaut ungeduldig zu mir rüber. „Junges Fräulein, ich hab‘ nicht den ganzen Abend Zeit, auf Sie zu warten.“ Was für ein mieser Dreckssack. Erst sucht er sich einen Burger-Laden Deluxe aus, weil, hey, ich bin ein toller Tinder-Typ und führ‘ meine Dates nur in geile Schuppen aus. Dann besitzt er noch die Frechheit, mich zu belügen und vor meinen Augen rauchend mit irgendeiner Perle rumzumachen. Und als absolute Krönung verzieht er sich mit ihr und prellt noch die Zeche. Das war mal ein echt harter Reinfall.
Jetzt stehe ich wortwörtlich im Regen und rufe Matze an. „Geh‘ ma´ zum Rudi, ich bin in der Nähe, wir treffen uns dort.“ Gesagt, getan. Ich erzähle Matze von meinem beschissenen Date. „Du hättest schon nach der nassen Hose umdrehen sollen. Das war kein gutes Zeichen“ – „Ich sag‘ doch wegen ´nem Wasserfleck auf der Hose nicht mein Date ab!“ – „Tja, da hast du den Salat. Und ihn sogar für dein Date mitbezahlen müssen. Der Typ ist wohl ein Profi im Sneaten“ – „Im was?“ – „Sneaten ist ´ne Mischung aus sneak und eat. Man schleicht sich vom Date weg und das Gegenüber muss dann die Rechnung zahlen. Kenne ich bis jetzt eigentlich nur von Frauen“ – „Ey, als ob alle Frauen sowas machen würden. Ich hab‘ meinen Teil bisher immer selbst gezahlt“ – „Und heute noch seinen dazu.“ Das muss ich mir jetzt die ganze Zeit anhören. Wenigstens bin ich jetzt auf dem Weihnachtsmarkt mit einer Tasse Glühwein in den Händen. Und bezahlt wurde er von Matze.