Frühstückslektüre I Ungarn - Tschöö Gender Studies
Verfasst von Katharina Ded am
Letzten Freitag habe ich mich mit meiner Mitbewohnerin Timi getroffen. Wir hatten uns zum Shoppen verabredet. Mit großen Augen und kleinen Geldbeuteln durch die Geschäfte zu flanieren zählt zu einer unserer Lieblingsbeschäftigungen. Auf dem Weg in die Innenstadt haben wir uns natürlich über den Alltag, die Uni und was sonst noch so ansteht unterhalten. Noch in der Bahn zum Neumarkt habe ich ihr von einer Meldung erzählt, die mich zum Grübeln gebracht hat.
Seit Mitte Oktober diesen Jahres steht nun mit einem Regierungsbeschluss fest, dass der Masterstudiengang Gender Studies in Ungarn seine Zulassung verliert. Bislang konnte man an zwei Unis in Budapest Gender Studies studieren: an der staatlich geförderten Eötvös-Loránd-Universität (ELTE) und an der privaten Central European University (CEU). Studis an der ELTE dürfen ihr Studium über Geschlechterforschung zwar noch beenden sowie derzeit Neu-Eingeschriebene, jedoch wird es keine weiteren Immatrikulationen geben. An der ELTE wurde der Studiengang Gender Studies erst im Herbst 2017 eingeführt. Da die CEU eine private Uni ist, stellt sie eine Ausnahme dar: Seit 2006 war es möglich, dort einen Doppel-Abschluss in Gender Studies mit amerikanischem und ungarischen Diplom zu erlangen. Genau das wird sich aber ändern. Durch den Verlust der Zulassung in Ungarn wird es Studis an der CEU zwar möglich sein, das amerikanische Diplom zu behalten, das ungarische und somit in Europa anerkannte Diplom wird aber nicht mehr vergeben.
Keine
Berichterstattung über die Abschaffung von Gender Studies
Unterwegs zum ersten
Laden sagte mir meine Mitbewohnerin mit ungarischen Wurzeln, dass sie
das nicht mitbekommen hat. Ihrer Meinung nach wurde die Abschaffung
von Gender Studies in den ungarischen Medien nicht wirklich
thematisiert. Als im August die Regierung unter Ministerpräsident
Viktor Orbán die ersten Pläne für die Streichung von Gender
Studies vorlegte, befanden sich ungarische Universitäten in den
Semesterferien. Deutschen Medien zu Folge hatten Betroffene daher kaum
Zeit, auf das Vorhaben der Regierung zu reagieren.
Ich fragte Timi in
der Umkleide, wie es denn wohl sei, in Budapest zu studieren. Sie
berichtet mir, dass das Studium in Ungarn eher der Schule ähnelt.
Seminare seien wohl so groß wie Schulklassen, man habe
Anwesenheitspflicht und müsse je nach Studienfach sogar Hausaufgaben
machen. Und wie lebt man so als Studi in Budapest? Viele sind in
Wohnheimen untergebracht, teilen sich ihre Zimmer oft mit mehreren
Leuten. Fahrrad fahren ist in Budapest nicht so üblich wie in Köln,
aber Semestertickets gibt es für Studis sowie viele Rabatte. In
Ungarn unterstützen häufig Angehörige ihre StudienanfängerInnen
finanziell. Die familiäre Hilfestellung reicht sogar so weit, dass
einige Studis für das Wochenende Pakete mit hausgemachtem Essen
geschickt bekommen.
Gender Studies in
Köln
Nach dieser
Unterhaltung bezahlten wir unsere brandneuen Fundstücke an der Kasse
und verließen das Geschäft. Wir dachten beide auf dem Weg zu
unserem Lieblings-Asia-Restaurant darüber nach, wie es denn in Köln
mit Gender Studies aussieht. Das kann man doch bestimmt auch hier
studieren, oder?
An der Universität zu Köln gibt es das Zentrum für Gender Studies in Köln, kurz GeStiK genannt. GeStiK stellt unter anderem ein Sammelknoten für die interdisziplinäre Forschung der Gender Studies an der Universität zu Köln dar. Außerdem werden über GeStiK Kontakte zwischen verschiedenen Institutionen für Gender Studies weltweit geknüpft. Das 1-Fach Masterstudienprogramm Gender & Queer Studies der Universität zu Köln wurde von GeStiK aus dem Boden gestampft. In Kooperation mit der TH Köln und der Hochschule für Musik und Tanz Köln können Studierende Seminare z.B. aus den Bereichen Geisteswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Kunst belegen. Der Masterstudiengang beschäftigt sich mit Vorstellungen über Geschlechterrollen und Sexualität aus verschiedenen Perspektiven mit Hinblick auf gesellschaftliche Relevanz.
Während wir noch auf die Bahn für den Rückweg warteten, stellten wir uns die Frage, wie man hier auf die Abschaffung der Gender Studies in Ungarn reagierte. Mit einem offenen Brief „against the Ban of Gender Studies Programs in Hungary“ sprechen sich Betroffene aus verschiedenen Ländern gegen den Streichung des Studienprogramms in Ungarn aus. Auch Prof. Susanne Völker, wissenschaftliche Leitung und Dr. Dirk Schulz, akademischer Rat der GeStiK gehören zu den Einhundertneunzehn Unterzeichnern des offenen Briefs. Das Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung bekundet mit einem eigenen Brief, der auf Twitter zu sehen ist, seine Solidarität gegenüber Prof. Andrea Pető, Lehrende für Gender Studies an der CEU in Budapest.
Kurz vor der Haustür
angelangt sind wir froh, erfahren zu haben, dass es so viele Gegner
für die Abschaffung von Gender Studies in Ungarn gibt. Timi erwähnte
in dem Zusammenhang, dass junge Leute in Budapest offener und
toleranter seien als die derzeitige Regierung. Zum Beispiel äußern
sich ihre Freunde in Budapest über Social Media Kanäle negativ zum
Verbot von Gender Studies in Ungarn.
Ich wollte von ihr
zum Schluss noch wissen, ob sie, wenn sie die Zeit zurück drehen
könnte, lieber in Köln oder in Budapest studieren wollen würde.
Sie antwortete mir, zufrieden in Köln zu sein, da sie sich freier
und wohler hier an der Uni fühlt. Und ich bin auch sehr glücklich
darüber, dass sie zum Studieren hierher gekommen ist.