Leitung: Katrin Steinhausen und Joshua Gerhard

magazin@koelncampus.com

Frühstückslektüre I Nischenfächer studieren: Ein Plädoyer für die sogenannten „Orchideenfächer“

Verfasst von Katharina Ded am

Jeder Studi hat sich spätestens nach dem Abitur folgende Fragen gestellt: Was will ich studieren? Kann ich nach dem Studium etwas damit anfangen? Besonders die Studienfachwahl erweist sich hier als Zwickmühle. Hier tauchen dann schon die ersten Hürden auf: Will ich etwas studieren, das mir Spaß macht oder etwas, womit man Karriere machen kann?

(CC-0) Wokandapix / pixabay.com

Nischenfächer vs. Massenfächer

Wenn man das Wort Nischenfächer hört, denkt man wahrscheinlich zuerst an abgespacete Studiengänge, die kein Mensch aussprechen kann, von denen niemand gehört hat und die vermutlich in einer Anstellung als Taxi-FahrerIn enden. Treffenderweise werden sie auch als „Orchideenfächer“ bezeichnet.

Das sind „Fächer mit vergleichsweise wenigen Studierenden und vermeintlich geringem praktischen Nutzen.“ (Magazin der Universität zu Köln -Kleine Fächer im Wandel-)

Ihnen gegenüber stehen die Massenfächer, Studiengänge mit hohen Immatrikulationszahlen wie beispielsweise Jura oder BWL. Sie locken StudienanfängerInnen mit Erfolgsaussichten für den zukünftig einzuschlagenden Beruf.

Aber müssen Karriereaussichten und das insgeheime Wunschstudium zwangsweise in Konflikt zueinander stehen? Das soll nicht heißen, dass Medizin oder VWL keine Traumstudiengänge sein können. Doch was ist mit denjenigen, die sich für BWL entschieden haben, nur weil sie sich nicht trauten, die Studienrichtung Skandinavistik einzuschlagen?

Die selben Fragen hatte ich mir zu Beginn meines Studiums auch gestellt. Während meiner Schulzeit stand für mich schon früh fest, dass ich irgendwas mit Sprachen machen will. Lehrerin werden schloss ich für mich nach einer anstrengenden Schulzeit schnell aus. Und dann fragte ich mich: Was kann man mit Sprachen noch machen? Fehlende Berufsperspektiven und ein Mangel an Erfahrung trieben mich ins Jura-Studium, obwohl selbst meinen Eltern diese Entscheidung eher Spanisch vorkam. Als Kind hatte ich tausend Ideen für meine Zukunft: Archäologin werden, Konsolen-Spiele designen, Geschichten schreiben … Heute studiere ich meinen Plan B, der eigentlich mein Plan A war: Englisch und Deutsch. Ob ich zufrieden bin? Definitiv. Dennoch beschäftigt mich das, was wäre, wenn ich doch Archäologie studiert hätte, immer noch ein wenig. Wie ist es für diejenigen, die sich für die Exoten unter den Studienfächern, die „Orchideen“, entschieden haben?

Nischenfach studieren… und dann?

Ein Beispiel: Am Institut für Skandinavistik/Fennistik herrscht wegen seiner geringen Anzahl an Studierenden eine familiäre Atmosphäre. Das Institut ist überschaubar, daher erhält man einen guten Überblick über alle Profs, Lehrende und Studis. Massenvorlesungen mit mehreren Hunderten von Leuten wird man hier nicht vorfinden. Für die Einschreibung des Masters am Institut an der Uni Köln lagen jedoch im Jahr 2013 sinkende Immatrikulationenzahlen vor, sodass ein geringes Angebot von Lehrveranstaltungen und wenig Variation im Studium die Folgen waren. Nach dem Motto Not macht erfinderisch gründete die Skandinavistik/Fennistik der Uni Köln im selben Jahr ein E-Master-Programm in Zusammenarbeit mit ähnlichen Instituten in Europa. Durch diese Kooperation können alle teilnehmenden Bildungseinrichtungen ihre Seminare und Vorlesungen auf einer E-Learning-Plattform hochladen. So werden Lehrinhalte rundum zugänglich für Studierende aus Kopenhagen, Berlin oder Turku.

Was erwartet AbsolventInnen von „Orchideen“-Studiengängen? Zunächst einmal läuft im Leben nicht alles nach Plan. Man weiß nie, mit welchem bunten Blumenstrauß es um die Ecke kommt. Viele ehemalige Nischenfächer-Studierende bewerben sich auf Jobs, von denen man behaupten könnte, dass sie rein gar nichts mit dem zuvor erworbenen Wissen gemein haben. Aber: viele von ihnen werden genau für diese Jobs angenommen und kombinieren ihr Vorwissen aus dem Studium mit neuen Aufgaben. Eine Ex-Nischenfachstudierende meint,

„[sie] habe neben Ethnologie auch Sozialwissenschaften studiert und das hilft [ihr] bis heute in [ihrem] Job - vor allem, wenn es darum geht, Kampagnen auszuwerten oder eine Zielgruppenanalyse zu erstellen.“ (Maria, 31, Interview Zeit Campus -Die Erfolgreichen Nischenstudenten-)

Heute ist sie Brand Managerin und Freelancerin. Ein ehemaliger Theaterwissenschaftler hat eine Anstellung als Coach und Topmanagement Berater erhalten. 

Er sagt, „in [seinem] heutigen Job […] kann [er] nun alles vereinen – [seine] Liebe für Zahlen, [seine] Leidenschaft, wirklich etwas zu verändern, und [seine] Kreativität ausleben.“ (Florian, 37, Interview Zeit Campus -Die Erfolgreichen Nischenstudenten-)

Die Liste könnte noch weiter gehen. Man erkennt, dass oft Fähigkeiten gefragt sind, die nicht immer offensichtlich aus dem Studium hervorgehen. Außerdem kann man auch als Quereinsteiger mit Flexibilität, Lernbereitschaft und ein wenig Glück an gut bezahlte Stellen gelangen.

Ergo: Ein wilder Mix aus allen Pflanzen bereichert nicht nur die Flora, auch „Orchideen“-Studienfächer tragen zu einer Vielfalt von Forschung und Lehre bei. Jede Orchidee hat ihren Platz in der Natur, sowie jede/r mit einem Abschluss in einem Nischen-Studiengang im Arbeitsmarkt auch. Orchideen findet man schließlich nicht nur im Regenwald, sondern auch auf vielen heimischen Fensterbänken.

Zurück zur Übersicht

Sag's weiter: