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Frühstückslektüre I Und was nimmst du? Pt.2

Verfasst von Lea Rosa Nima Oreyzi am

Dies ist der zweite Teil der Reihe: “Und was nimmst du?”, in der ich mich mit Konsumenten*innen und Suchtkranken treffe, um über ihre Erfahrungen mit Drogen zu reden. Ich möchte hiermit auf eine Grauzone aufmerksam machen, die medial meist ausgeklammert wird. Ich hoffe das Thema hiermit enttabuisieren zu können und weitestgehend aufzuklären.

(CC-0) Pexels / pixabay.com


Hier geht es zu Teil 1,

Ansonsten folgt jetzt die Geschichte meines zweiten Gesprächspartners:


Ich treffe mich heute mit N. , per Nachricht verschiebt er unsere Verabredung erst um eine, dann um zwei Stunden, aber dann klingelt es an der Tür. N. sieht ein bisschen müde aus und seine Haare hängen in seinem Gesicht. Seine Stimme ist leise, ruhig und er wirkt ausgelastet und entspannt. Als ich ihm was zu trinken anbiete winkt er dankend ab und holt einen Thermobecher aus seiner Tasche.

Nach mehreren Nachfragen erklärt er:

“Da ist Tee drin. Aus einer Pflanze Namens K. Das ist legal in Deutschland, ich bestell mir das im Internet. Das wirkt euphorisierend oder entspannend, immer zum richtigen Zeitpunkt. Anfangs hab ich das nur zum Spaß gemacht, jetzt ist es auch eine Alltagshilfe geworden. Aber nur für besondere Situationen.”


N. erzählt, dass er auf jeden Fall psychisch abhängig ist, von, wie er sie nennt, sedierenden, verschreibungspflichtigen Medikamenten; Schmerzmittel, die zu der Gruppe der Opioide zählen. Auch bekannt als sogenannte ‘Downer’, die, im Gegensatz zu ‘Uppern’ wie Kokain oder Speed, einen runterbringen sollen.

Die genauen Namen möchte er nicht nennen und begründet, er habe Angst, dieser Artikel könne als Anleitung für den Konsum dienen. Dieser Aspekt mache ihm große Angst, er will nicht, dass er jemanden darauf aufmerksam macht und dadurch in seine Situation bringt. “Das ist nur noch ein Schritt von Heroin entfernt!”, erklärt er mit deutlicher Angst in seiner Stimme.


Zum Verständnis:

“Es wird zwischen therapeutisch wirkenden und missbräuchlich zugeführten Opioiden unterschieden. Während therapeutische Opioide in der Medizin als Mittel zur Behandlung von Schmerzen zum Einsatz gelangen, dienen missbräuchlich zugeführte Opioide als Rauschmittel. (…) Ebenso wie alle anderen Opioid-Analgetika fallen sie zumeist unter das Betäubungsmittelgesetz. “

Quelle: https://medlexi.de/Opioide


Teilweise reicht der einmalige Konsum, um einen so zusagen ‘anzufixen’. Das Suchtpotential ist dementsprechend sehr hoch. Eine Überdosis kann tödlich sein. Besonders in den USA spricht man aktuell von einer “Opioid Epidemie”.


Das erste Mal in Verbindung gekommen mit diesen oft missbrauchten Medikamenten ist N. mit 16.

“Im Schrank der Mutter eines Freundes haben wir die gefunden, und einfach mal ausprobiert.”

Er schaut mich etwas erschrocken ein und schiebt nach: ”Ist das abschreckend?”


Die Wirkung hat ihm gefallen, er wurde neugierig. “Die Abstände wurden immer kürzer.” Erzählt er.

Mittlerweile konsumiert er 3-4 mal die Woche. Am liebsten nimmt er was, wenn er mit einer Gruppe seiner engsten Freunde zusammensitzt, um einfach einen entspannten Abend zu haben. Ab und an genießt er es aber auch alleine unter dem Einfluss von Medikamenten zu sein.

Er grenzt sich ab von anderen Konsumenten, die sogenannte ‘Upper’ nehmen. Ihm gehe es nicht darum feiern zu gehen und aufgedreht zu sein. N. will in einem privaten Kreis entspannen können, sich gut unterhalten und es sich gut gehen lassen, wie er sagt. Aber das funktioniert nur für einen kurzen Augenblick:


“Am Anfang denkst du dir, du hättest auch ein Anrecht darauf mal glücklich zu sein, und am Anfang bist du es auch. Aber dann kommst du da schlechter wieder raus als du rein gerutscht bist. Man will einfach nur ne gute Zeit haben, und wenn das einmal klappt will man das immer. Dadurch vergisst man ganz schnell, dass das Leben nicht nur aus guten Zeiten bestehen kann. Die Möglichkeit das Glück steuern zu können macht viel abhängiger als die Droge selber.”


Er ist zwiegespalten als berichtet, dass er durch die Drogen sorglos wird und sie ihm das Gefühl geben endlich angekommen zu sein, aber auch begreift, dass das nicht der Realität entspricht:

“Downer versprechen dir die Welt und dann lassen sie dich fallen. Sie brennen sich so schnell ins Suchtgedächtnis ein, wenn du sie nimmst geht es dir dann ‘normal’, du hast kein Rausch mehr. Ohne aber geht es dir furchtbar.” Er berichtet dass man die Zukunft total vergisst und erst viel zu spät merkt, wie regelmäßig man konsumiert und was man sich damit alles verbauen kann.


Mit einem Lächeln auf dem Gesicht erzählt er mir von seiner Arbeit. Er hat lange Zeit mit Süchtigen zusammen gearbeitet und ist froh etwas bewirken zu können:

“Die Arbeit gab mir einfach viel, dieses Helfen. Das ist auch ein kleiner Rausch, wenn man merkt, man bewirkt etwas.”

Er stand den Menschen dort sehr nah und baute persönliche Bezüge zu ihnen auf. Die ahnten natürlich nicht, dass er selbst abhängig ist.


N. nimmt noch einen großen Schluck von seinem ‘Tee’ und meint, dass er sich jetzt über das Ausmaß seines Konsums im Klaren ist. Er möchte versuchen das zu reduzieren. Das hat er allerdings schon öfter und es hat nicht immer so geklappt, wie er es sich vorgenommen hatte.

“Aber wenn man es schafft ein paar Tage durchzustehen wird es auch langsam schon besser”

Für ihn ist seine Gesundheit ein wichtiges Argument, das eindeutig gegen den Konsum spricht.

Dann wechseln wir das Thema, er gibt zu, dass er sehr ungern darüber spricht. Ich begleite ihn noch ein Stück durch den Regen, bis er in der Unterführung der U-Bahn verschwindet.

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