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Storyteller | Wer bist du?

Verfasst von Daniel Kremer am

Ein ganz normaler Café-Besuch bringt Jill ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Der Grund ist Tony, eine junge Frau, die Jill zum Verwechseln ähnlich sieht.

pixaboy.com/CCO Creative Commons

Zum wiederholten Mal schaute sie jetzt schon aus dem Fenster und beobachtete wie der Regen auf die menschenleere Straße prasselte. Es hatte etwas Beruhigendes und gab Jill die Möglichkeit sich von ihrem Laptop loszureißen.

Das leere Dokument, was ihr auf dem Bildschirm entgegen strahlte, machte sie schon seit Stunden verrückt. Jeder Satz, der darauf erschien, verschwand in Sekundenschnelle. "Jill the hater strikes again" dachte sie sich und nahm einen großen Schluck aus der Kaffeetasse in ihrer Hand. "Mhmm lecker, kalter Kaffee!" bemerkte sie mit einem Augendreher.
Langsam löste sie ihren Blick von der Straße, über die gerade noch zwei Frauen durch den Regen in den nächsten Laden gesprintet waren, und wendete sich wieder dem Dokument zu, auf dem bis heute Abend, der Entwurf für ihren neuen Roman stehen musste. 


"Das wird doch eh nichts mehr!" dachte sie sich und klappte den Laptop genervt zu. Sie ließ sich in den großen Sessel zurückfallen und strich mit ihren Händen durch ihr Gesicht. "Zeit für Nervennahrung" dachte sie weiter und ging in Richtung Tresen. Der Schriftzug des Café Storchenbein strahlte ihr von der Wand entgegen als sie schlaftrunken zwischen den Tischen hindurchschlich, an denen andere kreative Menschen ihre Tastaturen zum Glühen brachten. "Ich hasse euch" murmelte sie vor sich hin, gerade laut genug, dass sie es hören konnte. Mit einem großen Stück Käsekuchen in der Hand setzte sie sich wieder auf ihren Platz. 

Den Teller stellte sie dabei auf ihren Laptop. Mit einer Gabel bewaffnet, wollte sie gerade in den Kuchen stechen, als die Tür des Cafés sich öffnete und eine Art Schnabelklappern durch den Raum zog. "Die nehmen das Storch-Thema echt zu ernst".
Mehr aus einem Impuls heraus, schaute Jill kurz von ihrem Kuchen hoch, in Richtung Tür. Eine junge Frau war hineingekommen. Ihr Gesicht war wie der Rest ihres Körpers von dem dunkelgrünen Parka verschluckt wurden.
Irgendetwas an dieser Frau lies Jill nicht mehr los und sie verfolgte aufmerksam wie die Unbekannte zur Garderobe ging und dabei eine Spur aus Regentropfen hinter sich her zog.


"Gehirn, was willst du mir sagen?" fragte sie sich selbst, als sie merkte wie sie langsam von Beobachten ins Anstarren überging und anfing sich selbst Angst zu machen. Die Antwort auf diese Frage kam aber schneller als erwartet. Unter dem Parka kamen zuerst die roten Haare zum Vorschein, gefolgt von einem schwarzen Kleid. Sie hängte ihre Jacke und drehte sich in Blickrichtung zu Jill.
"What the fuck" brach es aus hier hervor, laut genug um ein paar verdutzte Blicke ihrer Tischnachbarn zu kassieren. Peinlich berührt wendete sich Jill wieder der Straße zu.
"Das bin ja ich...nur mit mehr Sommersprossen" dachte sie, mit einer Mischung aus Schock und Verwirrung. Sie drehte sich wieder zurück und beobachtete die Frau, die auch Zwilling sein könnte, wie sie zu einem Tisch ging, an dem bereits ein Mann und eine Frau saßen. Anscheinend warteten die Beide bereits auf sie, denn sie herzlich, als hätten sie sich ewig nicht gesehen.
"Das ist so strange! Ich habe eine Doppelgängerin. Oder vielleicht sogar eine Schwester? Unmöglich. Also wer bist du?
Als sich ein altbekanntes Kribbeln in ihren Fingern breit machte, nahm Jill den Teller von ihrem Laptop und begann jedes Szenario, das ihr einfiel, aufzuschreiben. In einem der beiden waren sie Zwillinge, die nach der Geburt getrennt wurden. "Zu ausgelutscht". Im Nächsten war sie Teil eines geheimen Projektes, das sich mit Klonen beschäftigt. "Nö, dass ist es auch noch nicht". Nach einer Vielzahl weiterer Szenarien, lies sie eine Idee nicht mehr los "Was ist, wenn dieses Café in verschiedenen Dimensionen existiert und ich gerade mich selber sehe?"


Zwar wusste sie, dass das totaler Schwachsinn war, aber dieser Gedanke gab ihr genug Zündstoff weiter zuschreiben und ehe sie es überhaupt gemerkt hatte, war der Entwurf ihres nächsten Romans entstanden. Erleichtert ließ sie sich wieder in den Sessel fallen. "Geschafft" dachte sie sich und schaute noch einmal zum Tisch mit den drei Freunden hinüber.
Der Drang ihre Doppelgängerin kennen zu lernen wuchs immer mehr. "Was soll schon passieren?" murmelte sie vor sich hin, nahm noch einen Schluck vom kalten Kaffee und ging hinüber.
Vorsichtig tippte sie der Fremden auf die Schulter und begann direkt loszureden "Hi...ich bin Jill, wir kennen uns nicht, aber ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du mir gerade sehr geholfen hast. Darf ich dich fragen...wie du heißt?
Mit dem Jill vertrauten Blick aus Schock und Verwirrung, antwortete die junge Frau: "Ich bin Tony"


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