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Frührausch | Sport und Politik

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Die Frage, die ich vermutlich fast genau so oft während der Fußball-Weltmeisterschaft beantworten musste, wie die Frage nach meinem Favoriten, war die nach meiner Meinung zum Veranstaltungsort – Russland. Kann man sich wirklich guten Gewissens dem Sport widmen, wenn man doch zumindest glaubt zu wissen, dass der Veranstalter eine mehr als fragwürdige Politik walten lässt? Sollte und kann man Sport wirklich von Politik trennen?


Alle 2 Jahre wieder das gleiche Spektakel! Die sportlichen Events und die damit verbundene politische Plattform dominieren unseren Nachrichtenzyklus. In den Wintermonaten wurden die Nachrichten von den olympischen Winterspielen geprägt. Obschon die sportlichen Leistungen der Athlet*innen nicht zu unterschätzen waren, erinnern sich viele Menschen eher an die politischen Statements der Spiele. Die Nachricht, dass Nord- und Südkorea unter einer vereinigten Flagge an den Spielen teilnehmen werden, sorgte für Gesprächsstoff. Die Kameras waren vermehrt auf die Schwester Kim Yong-Uns gerichtet, die Reaktionen der anderen Staatsführer wurden kritisch beäugt und die Implikationen dieses politischen Statements wurden in allen Medien durchdiskutiert. Aus der Bühne für den Weltsport wurde eine Gelegenheit zur Verbreitung von Propaganda.



Die Suche nach dem*r passenden Veranstalter*in

Ganz nach dem Motto, nach den Spielen ist vor den Spielen, mussten wir als Medienkonsumierende nicht lange darauf warten, bis das nächste Sport-Event vor der Tür steht und die Journalist*innen sich dieser Thematik erneut widmen können. Im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft in Russland, schienen die Medien eine klare Agenda zu haben. Die Frage nach der Sicherheit von Spieler*innen, Betreuer*innen und Zuschauer*innen wurde häufig diskutiert und die sozialen Missstände der Veranstalter*innen zu Genüge behandelt. Die Wahl der Favoriten und den erhofften Gewinner*innen hatte nicht selten auch etwas mit der Politik des Herkunftslandes der Mannschaft zu tun. Im eigenen Freundeskreis wurde oft darüber diskutiert, ob es möglich ist, die einzelnen Mannschaften von ihrer nationalen Politik zu trennen. Ein Sieg für Russland würde ja schließlich auch ein Sieg für Putin bedeuten. Es wird also klar, dass die Politik und Sport nur noch bedingt voneinander zu trennen sind.


Während sich die Politiker euphorisch über die Siege ihrer Mannschaften zeigen und diese als positive Presse in eigener Sache zu nutzen wissen, werden auch die Spieler*innen immer mehr zu politischen Akteuren. Die Berufung in die Nationalmannschaft bedeutet auch, dass der Spieler sich in einer repräsentativen Funktion befindet. Somit werden aus den Fotos von Özil und Gündoğan mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan politische Statements, welche nach einer nationalen Diskussion über außenpolitischen Strategien fordern und Fragen nach innenpolitischen Problemen aufwerfen.

Boateng, unser Lieblingsnachbar

Dieses Phänomen lässt sich nun jedoch nicht etwa erst seit diesem Jahr feststellen. Denkt man an die vergangen Fussball-Weltmeisterschaften zurück, so kann man sich sicher noch an den “Lieblingsnachbarn” von 2016 und die Debatte um die “wahren deutschen Spieler” erinnern. Auch das Gerücht, die FIFA lasse sich bei der Vergabe der Veranstaltungsorte bestechen, hält sich hartnäckig. Anreiz für dieses widerrechtliche Handeln seie zum Beispiel die Annahme, dass Länder die Events dazu nutzen könnten sich als potentielles Reiseziel zu etablieren. Dies würde sich dann wiederum positiv auf die Wirtschaft auswirken. Somit wäre die wirtschaftliche, politische und sportliche Ebene beinahe nicht mehr von einander trennbar und Sätze wie “Sport ist Sport und Politik ist Politik” würden den Irrglauben einer Trennung unterstützen. Doch hindert uns diese Erkenntnis wirklich daran, uns für unsere Lieblingsmannschaft zu freuen und unsere Idole beim Kampf um den Sieg anzufeuern? Wir sollten uns nur bewusst sein, dass mehr hinter solchen Sportevents steckt als nur die Freude am Sport.

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