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Glühbirne | Freunde finden in der "Schatzkiste"

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Partnerschaft unter Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen ist immer noch ein Tabuthema. Die Partnersuche ist oft besonders schwer, dabei sind stabile soziale Beziehungen ein wichtiger Bestandteil im Alltagsleben. Die in Hamburg gegründete Initiative "Schatzkiste" möchte die Freundschafts- und Partnersuche für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Beeinträchtigung erleichtern. Wir hatten die Möglichkeit, einer Mitarbeiterin der Diakonie Michaelshoven e.V. und Betreuerin der Kölner "Schatzkiste" ein paar Fragen zu stellen.


Seit 2014 hat der "World Mental Health Day" zunehmend Bekanntheit erlangt und auch in öffentlichen Einrichtungen gibt es mittlerweile ein Angebot für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen, wie Angsterkrankungen, einschließlich sozialer Phobien, Depressionen, Essstörungen, Zwangserkrankungen, Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen. Dennoch ist es in vielen Bereichen weiterhin ein Tabuthema. Dabei leiden Millionen Menschen an psychischen Erkrankungen. Fast jeder dritte Deutsche erkrankt laut Robert-Koch-Institut im Laufe seines Lebens an einem psychischen Leiden.

Stabile und unterstützende Partnerschaften und Freundschaften sind ein wichtiger Bestandteil im Alltagsleben. Aber gerade für Menschen mit psychischen und seelischen Erkrankungen kann es oftmals mit großen Hürden verbunden sein, soziale Beziehungen aufzubauen, sei es durch Angst vor Zurückweisung oder anhaltende gesellschaftliche Stigmatisierung. Das Resultat sind Isolation und Einsamkeit. 

Freundschaft und Partnerschaft finden in der "Schatzkiste"


Um die Suche nach einem Partner/einer Partnerin und Freunden für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu erleichtern, hat der Hamburger Bernd Zemella die Partnervermittlung "Schatzkiste" im Jahr 1998 gegründet. Der pensionierte Psychologe hat damals damit begonnen, ehrenamtlich Partner für Menschen mit psychischen Behinderungen zu suchen. Was als kleine Initiative in Hamburg begonnen hat, ist mittlerweile ein nationales Angebot mit rund 50 weiteren "Schatzkisten" in ganz Deutschland.

Angebote wie die "Schatzkiste" sind oftmals die einzige Möglichkeit für Menschen mit psychischen Erkrankungen, ihrem Wunsch nach Partnerschaft oder Freundschaft näher zu kommen. "In unserer Gesellschaft ist man immer noch der Ansicht, dass nur ein gesunder Mensch ein Recht auf Partnerschaft und Sexualität hat", sagte Bernd Zemella gegenüber dem Domradio. Der Weg über klassische Kontaktanzeigen oder nicht spezialisierte Partnerbörsen ist nur selten erfolgreich. Es brauchte einen Raum, in dem sie sich sicher fühlen und vor Missbrauch geschützt sind - die "Schatzkiste".


Interview mit Antoinette Cremer-Lanfermann von der Diakonie Michaelshoven e.V.


Der Erfolg der Hamburger "Schatzkiste" hat 2015 zur Einrichtung eines solchen Angebotes in Köln beigetragen. Ich hatte die Möglichkeit Frau Antoinette Cremer-Lanfermann von der Diakonie Michaelshoven e.V. ein paar Fragen über ihre Erfahrungen und ihre Arbeit als Mitbetreuerin der Kölner "Schatzkiste" zu stellen:

kölncampus: Warum ist es wichtig diese Art der Partnervermittlung für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen weiter auszubauen?
Frau Cremer-Lanfermann: Menschen mit psychischen Problemen sind häufig isoliert oder haben nur wenige Sozialkontakte. Sie tun sich manchmal schwer, auf Andere zuzugehen und möchten gerne mit Jemanden Zeit verbringen, der ähnliche Probleme hat und sie versteht. 

kölncampus: Partnervermittlung jeder Art ist oft mit einer gewissen Hemmschwelle verbunden. Was sind Wege, um Menschen, die sich für "Schatzkiste" interessieren, mögliche Bedenken oder Ängste zu nehmen?
Frau Cremer-Lanfermann: Wir reagieren auf die Anfragen sehr schnell und bieten kurzfristig Termine in unserem Büro an, mit Blick auf die Giraffen im Zoo. Die Atmosphäre in einem geschützten Rahmen als auch die jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit psychisch Kranken helfen dabei sehr, sich zu öffnen und das über sich zu erzählen, was für die Vermittlung eines passenden Freizeitpartners wichtig ist. [...] Eine Begleitung durch einen vertrauten Menschen zum Erstgespräch ist immer möglich.

kölncampus: Warum gibt es bisher kein ähnliches Angebot für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen?
Frau Cremer-Lanfermann: Weil geistige Behinderungen und psychische Erkrankungen die Menschen oft persönlich stärker beeinträchtigen und eher nach Gleichgesinnten suchen lassen als mit körperlichen Beschwerden.

kölncampus: Wieso handelt es sich bei der "Schatzkiste" ausschließlich um eine Partnervermittlung unter Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen?
Frau Cremer-Lanfermann: Der geschützte Rahmen ist sehr wichtig und wird als hilfreich erlebt. Manche haben negative Erfahrungen mit professionellen Partnervermittlungen gemacht und suchen Menschen, die ebenfalls Krisen durchlebt oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben und verstehen, dass die Erkrankung den Alltag belasten kann und manchmal auch einsam macht.

kölncampus: Und abschließend: Was war Ihr bisher schönstes Erlebnis bei der Arbeit für die "Schatzkiste"?
Frau Cremer-Lanfermann: Der erste schöne Moment überhaupt ist der, wenn die Menschen ihre Vorbehalte und Ängste überwinden und sich an uns wenden und damit auch vertrauen. Finden wir dann zwei Menschen, die gemeinsame Interessen haben und wo ein erstes Treffen stattfindet, so ist die Vorfreude sehr groß. In einem Fall kam es zu einem ersten Treffen. Die anfänglichen Schmetterlinge im Bauch sind zwar nicht geblieben, aber dieses wochenlange Kribbeln im Bauch wird noch lange positiv nachwirken.

Mehr Informationen über die "Schatzkiste" der Diakonie Michaelshoven e.V.

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