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Bunte Bändchen in Istanbul – Teil 2

Verfasst von Luise Butzer am

Meine Istanbuler Erasmus Kommilitonen sind wieder frei!


Der Facebookpost „All released!!!“ am Mittwoch letzte Woche um 17:38 Uhr kam freudig überraschend:


Um 18.35 dann der Post:



Die Verhaftungen und den allgemeinen Wandel der Atmosphäre auf dem Campus an meiner ehemaligen Erasmus-Uni in Istanbul hatte ich seit März mit Spannung verfolgt: 14 Studierende hatten sich seit Ende März im Gefängnis befunden. Vor allem weil von einem bis fünf Jahren Haftstrafe die Rede gewesen war, ist die Freilassung eine große Erleichterung.

Ausschlaggebend für die Verhaftungen war eine AKP-nahe kleine Zusammenkunft auf dem Nordcampus der Uni gewesen, bei der Lokum, ein türkisches Dessert, an Studierende verteilt wurde, um den Sieg der Türkei im nordsyrischen Afrin zu feiern. Gegen diese Feier auf ihrem Campus wehrten sich einige Studierende mit einer spontanen Zusammenkunft, bei der sie gegen den Einsatz der Türkei in Afrin parolierten, es zu Konfrontation, allerdings (außer gegen das zu verteilende Lokum) nicht zu Gewalt kam.

In der Nacht danach begannen dann die Verhaftungen von am Ende insgesamt 14 Studierenden. Es wurde noch in der Nacht danach von der Polizei ein Studentenwohnheim gestürmt, im laufe der Tage verhaftete Zivilpolizei, die sich vermehrt auf dem Unigelände aufhält, Studierende hinter dem Ausgang des Campus nachdem sie ihnen auf dem Campusgelände gefolgt waren.



Es entstand daraufhin ein leiser und ein wenig ängstlicher Protest, eine offene Tauschbücherrei wurde auf dem Campus errichtet, um die sich letztes Semester die Studierenden zusammenfanden um ein Zeichen zu setzen (ohne dabei zu viel Aufmerksamkeit der Zivilpolizei zu erregen). Und es wurden überall auf dem Campus bunte Bändchen aufgehangen.


Unter viel Lärm und Freude sind die Studierenden jetzt freigelassen worden. In der Türkei beschäftigen sich oppositionelle Medien mit dem Fall, sie berichten, es wären viele Unterstützer*innen, Familie und sogar Parteimitglieder aus CHP und HDP, also von säkular eingestellten Oppositionsparteien bei der Gerichtsverhandlung gewesen.

Die Angeklagten hätten sich alle dagegen verwehrt bei der spontanen Kundgebung um die es ging, Schilder mit der, für die aktuelle türkische Justiz kritischen Aufschrift „Kein Lokum für Mord und Töten“ gesehen zu haben. Vielleicht eine gemeinsame Strategie der Studierenden? Sie gestanden, dass Parolen gerufen wurden, die sich gegen den Afrineinsatz und für Frieden richteten.

Ihre Aussagen machten klar, dass sie nicht Terrororganisationen durch Propaganda unterstützen wollten, wie ihnen vorgeworfen wurde, sondern dass sie am 19.03. für Frieden demonstrierten, dass durch ihre Verhaftung ihr Recht auf Bildung eingeschränkt wurde.

Anscheinend war die Argumentation von Erfolg.


Berichtet wurde von den Studierenden danach allerdings auch von psychischer Folter unter Arrest, und davon, auf der Polizeistation gezwungen worden zu sein, sich auszuziehen und geschlagen worden zu sein.

Trotz der Härte blieb die Moral der Verhafteten hoch und sie schrieben in ihren Briefen immer, wie sicher sie sich waren, im Recht zu sein. Sie versuchten, die Zelle zum Lernort zu machen, lasen Bücher und diskutierten.


Die Bogazici ist aber noch nicht wieder in dem Zustand angekommen, in dem sie war als ich letzten Sommer dort Erasmus machte. Einige Studis sind nach wie vor auf dem Radar, in der Zeit, in der einige in Haft waren, waren viele andere untergetaucht, eine Person in die USA gegangen um dort zu studieren und eine andere hatte sich sogar einen Schmuggler organisiert, um nach Griechenland zu kommen. Und die Verhaftungswelle hat die Atmosphäre geändert. Eine spontane Demo wird so schnell wohl nicht wieder entstehen.

Was überwiegt also, die Erleichterung oder das bleibende mulmige Gefühl?

Die Studierenden geben sich auf jeden Fall kampfbereit.

Zuletzt posteten sie dieses Statement:


We truly thank all those who have supported us, believed in our struggle, and defended the freedom of expression. A thousand salutes to the ones standing in solidarity with us!
We are finally with our friends, yet jails are still full of imprisoned students. We all will continue our struggle for them. We now have 14 more on board
#WeAreAllPrisonersUntilAllIsFree


Auf der Facebookseite „Bogazici Will Remain free“ wird auf türkisch kurdisch und englisch über die Repressionen an der Uni informiert






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