Leitung: Katrin Steinhausen und Joshua Gerhard

magazin@koelncampus.com

Lieblingslied | Courtney Barnett - Charity

Verfasst von Carolin Paas am

Drei Jahre ist es nun her, dass die australische Songwriterin Courtney Barnett mit ihrem wunderbar betiteltem Debutalbum "Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit" die Indie-Rock-Szene im Sturm erobert hat. Darauf gabs lässigen Gitarren-Sound, eine Stimme, die gleichzeitig verletzlich und gelangweilt wirkt und Lyrics über alles zwischen Existenzkrise und Origami aus Geldscheinen. Letztes Jahr folgte dann auch direkt eine Kollaboration mit Folk-Liebling und ehemaligem War-of-Drugs-Mitglied Kurt Vile, betitelt "Lotta Sea Lice", das mit ruhigerem Sound und dem gelungenen Zusammenspiel der beiden Künstler überzeugt.



Nun meldet sich Courtney Barnett mit "Tell Me How You Really Feel" zurück. Anders als auf ihrem Debut begrüßt sie uns dieses Mal jedoch nicht mit eingängigen Drums und reichlich Energie, sondern leutet mit "Hopefulessness" einen etwas melancholischeren Ton ein. Begleitet lediglich von einer an Grunge erinnernden Gitarre singt sie die ersten Zeilen, der zweite Track "City Looks Pretty" klingt da schon wieder etwas fröhlicher, auch wenn es hier wie so oft eher um Einsamkeit, Unsicherheit und zwischenmenschlichen Kontakt als um spaßiges Großstadtleben geht. Der dritte Track und gleichzeitig der erste richtige Power-Song des Albums: Charity.
Er beginnt mit einer eingängigen Melodie aus launischen Gitarrenriffs und erreicht spätestens mit dem Einsetzen von Barnetts unverwechselbarer Stimme Ohrwurmpotential. Im Refrain heißt es dann:

"You must be having so much fun
everything's amazing"

Diese Zeilen singt Barnett jedoch mit so offensichtlicher Ironie, dass der unterschwellige Ton des Albums zu keinem Zeitpunkt vergessen wird, denn auch dieser Song ist eher vordergründig eine Up-Beat-Indie-Hymne und viel mehr eine Reflektion über die eigene Unsicherheit, die Unsicherheit unserer Mitmenschen und den allgmeinen Wunsch nach coolness.
Courtney Barnett singt aber nicht nur über innere Konflikte, sondern auch über jene in der Außenwelt. So zitiert sie in "Nameless, Faceless", der ersten Singleauskopplung des Albums, die Schriftstellerin Margaret Atwood.

"Men are scared that women will laugh at them,
women are scared that men will kill them"

Dazu malt sie ein Bild, das mir persönlich nur zu bekannt vorkommt: Bei Nacht auf dem Heimweg, den Schlüssel zwischen den Fingern, eine populäre weil einfache Methode zur Selbstverteidigung. Weiter geht's mit einem Song namens "I'm Not Your Mother, I'm Not Your Bitch". Bei aller emotionaler Unsicherheit hat es sich Barnett also nicht nehmen lassen, ein kleines bisschen Feminismus einfließen zu lassen und bestätigt damit nur ihre Vielfältigkeit.

"Tell Me How You Really Feel" hat noch einige weitere Tracks zu bieten, die ihr euch unbedingt anhören solltet, denn jeder einzelne ist ein super Mix aus besagter Existenzkrise und mal mehr, mal weniger melancholischem Indie-Rock. Auf "Crippling Self Doubt and a General Lack of Self Confidence" teilt uns Courntey dann auch tatsächlich kurz mit, wie sie sich denn selber so fühlt.

"I don't know anything"

Same, Courtney, same. Aber dank deines neuen Albums hab ich immerhin nicht mehr das Gefühl, damit allein zu sein.






Zurück zur Übersicht

Sag's weiter: