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Frühstückslektüre | Streaming vs. Kino

Verfasst von Marius Ochs am

In der USB hat gerade eine neue Ausstellung eröffnet mit dem Titel „Medienapokalypse“. Dort wird ein altes, leidiges Thema präsentiert, dass niemals an Aktualität eingebüßt hat und immer relevant sein wird: Analog oder Digital? Alt oder Neu? Apokalyptiker oder Integrierte?

Thema der Ausstellung ist, wie der Mensch mit (medien-)technischen Neuerungen umgeht. Wenn man sich umsieht, kann man die Diskussionen, die damit einhergehen, an jeder Ecke erkennen. Beispielsweise in der Erziehung. Wann sollten Kinder anfangen, Smartphones zu benutzen? Auch als Studierende*r sieht man sich mit den Möglichkeiten und Gefahren der neuen Techniken konfrontiert. Jeder von uns hat bestimmt schonmal auf den Prokrastinations-Schweinehund gehört und lieber Stunden auf Netflix statt am Schreibtisch verbracht.

Denn Netflix stellt für die Filmbranche eine gewaltige Neuerung dar, die für die klassische Filmindustrie tatsächlich so etwas wie die Apokalypse bedeuten könnte. Netflix und Amazon Prime mischen mit Eigenproduktionen, die viel Geld kosten und deshalb qualitativ teilweise mit Top-Produktionen mithalten können, gerade Hollywood auf. Erste Hürden wurden bereits genommen: Die Netflix-Doku „Ikarus“ erhielt einen Oscar, also den Preis, der normalerweise wie nichts anderes in Hollywood dafür steht, sich selbst zu beglückwünschen.


Die Kinobranche und Netflix nähern sich langsam, aber sicher an. Feinde werden zu Bekannten, vielleicht ja bald zu Freunden. Es wird auch schon über Modelle nachgedacht, die aktuelle Hollywood-Produktionen gegen einen Aufpreis zeitgleich mit dem Kinostart auf Netflix verfügbar machen sollen. POVD nennt sich das – Premium Video on Demand. Aber ist Netflix denn wirklich eine so große Gefahr für die Kinos? Man liest doch fast monatlich von neuen Box-Office-Rekorden, vor allem von Disney-Produktionen. Anscheinend gehen ja doch noch genug Menschen ins Kino, damit sich Blockbuster wie „Infinity War“ oder „Solo – A Star Wars Story“ noch lohnen.


Eine mögliche Erklärung für den Erfolg beider Seiten ist, dass das Streaming nicht dem Kino, sondern hauptsächlich dem klassischen Heimfernsehen die Zuschauer klaut. Der große Vorteil von Netflix und Amazon Prime, ist die zeitlich unabhängige Abrufbarkeit. Genau in dem Moment in dem man Lust bekommt eine Folge „Stranger Things“ zu schauen anstatt zu lernen, kann man auch darauf zugreifen. Beim herkömmlichen Fernsehen hingegen ist man abhängig von dem Angebot, das von den Sendern entschieden wird. Während die Zuschauerzahlen des Fernsehens seit Jahren stagnieren, machen zu Hochzeiten in den USA die Netflix-Streams zwei Drittel der gesamten Netzkapazität aus.

Von künstlerischer Seite aus wird die neue Konkurrenz begrüßt. Förderung ohne Druck eines Studios ist einer der Vorteile, die von Netflix versprochen werden. So entstehen häufig gewagtere Produktionen als im herkömmlichen Kino. Generell machen die Streaming-Anbieter eine gewisse Demokratisierung des Fernsehens möglich. Auf Amazon Prime werden beispielsweise neue Produktionen getestet, indem zuerst eine Pilotfolge hochgeladen wird. Erst wenn diese dann genug Zuspruch in Form von „Daumen hoch“ erfährt, erreicht sie die Produktionsphase.

Abschließend kann also gesagt werden, dass man keine absolute Entscheidung für oder gegen das Kino treffen muss. Streaming und Kinobesuch gehen Hand in Hand. Zumindest wenn man das Kino mehr als einen Ort des Sozialen und Gemeinschaftlichen sieht und damit einverstanden ist, dass provokante, virtuose und bahnbrechende Produktionen vielleicht nicht mehr so häufig auf der großen Leinwand zu sehen sind. Dennoch kann einem das Streamen zu Hause nicht die Erfahrung des Kinobesuches geben. Filme werden – zumindest teilweise – immer noch für die Leinwand gemacht und dabei wird es auch bleiben. Nur ein bisschen mehr Mut darf es gerne sein.


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