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Frühstückslektüre | Mimikresonanz

Verfasst von Marius Ochs am

Wenn in der Filmreihe Terminator die Perspektive gewechselt wird und man die Welt aus den Augen des Killerroboters aus der Zukunft sieht, fällt einem zuerst das vollgepackte Sichtfeld auf. Überall Daten, die gesamte Umgebung wird analysiert.

Was im Blickfeld des Terminators jedoch fehlt, ist eine Analyse, die die Emotionen des Gegenübers mit einbezieht. Durch diese Unfähigkeit, Emotionen erkennen zu können nimmt man Arnold Schwarzenegger ab, dass er gerade eine Maschine und keinen fühlenden Menschen verkörpert.

Was im Jahr 2014 im Fraunhofer-Institut erfunden wurde, hat das Potenzial selbst diesem Haufen Metall den Anschein der Empathie zu verleihen. Dort wurde nämlich eine App für die gescheiterten Google Glasses entwickelt, die eine technische Mimikanalyse ermöglicht. Jedes Gesicht, das vor der Brille auftaucht wird gescannt und analysiert. Als Daten bekommt man nicht nur, wie im Film, Alter und Geschlecht des Gegenübers angezeigt, sondern auch vier Balken, die von 0 bis 100 Prozent ausschlagen können. Glück, Trauer, Überraschung und Wut lauten die vier grundlegenden Emotionen, die sichtbar gemacht werden können. So sollte vor allem Autisten geholfen werden, Gefühle besser wahrzunehmen.


Trotzdem ist diese Technik nur eine sehr einseitige Verbesserung


Emotionen können zwar besser gelesen werden, aber die Fähigkeit Emotionen zu äußern wird durch diese Technik nicht ersetzt. Außerdem ist die menschliche Gefühlswelt weitaus komplexer als man das durch eine Balance aus vier Grundemotionen ausdrücken könnte. In der Psychologie geht man typischerweise von sieben Basisemotionen aus, die nur den Ursprung für eine Vielzahl wesentlich komplexerer Vorgänge darstellen: Freude, Überraschung, Ekel, Ärger, Traurigkeit, Furcht, Scham, Schuld und Interesse bzw. Neugier.

Jede dieser Gefühlsäußerungen geschehen größtenteils nonverbal, weshalb auch das Gesicht als Indikator analysiert wird und nicht die Stimme. Das Erkennen von Emotionen bereitet generell vielen Menschen – nicht nur Autisten - Probleme. Man nehme allein das Flirten: Die Zahl der verpassten Möglichkeiten aus dem eigenen Leben möchte man wahrscheinlich gar nicht wissen. Die nonverbale Kommunikation ist dabei genauso wichtig – wenn noch nicht wichtiger - als der tatsächliche Inhalt der Gespräche. Aktuelle Studien belegen, dass Männer nur 36% und Frauen gerade so 18% der Flirtversuche auch wahrnehmen.

Diese Technik ist logischerweise nur der Beginn der Forschung, menschliche Mimik nutzbar zu machen. Datenschützer sind natürlich besorgt – in unseren Daten ist bereits vorhanden wo wir wann mit wem was gemacht haben. Jetzt soll auch noch dazukommen, wie wir uns währenddessen gefühlt haben. Tatsächlich gibt es schon erste Versuche, Techniken der emotionalen Analyse kommerziell nutzbar zu machen. So gab es in den Niederlanden erste Testversuche für personalisierte Werbung der nächsten Stufe: Dabei wurden verschieden Werbedisplays aufgestellt. In diesen Displays wurden Sensoren integriert, die ähnlich der Technik des Fraunhofer funktionieren. Alter, Geschlecht und ungefähre Stimmungslage wurde analysiert, die Werbung in Echtzeit entsprechend angepasst.


Die menschliche Mimik wird also Schritt für Schritt Teil der „Big Data“


Vielleicht werden Apps entwickelt werden, die uns den Gemütszustand unseres Gesprächspartners anzeigen, damit wir besser darauf eingehen können. Vielleicht macht uns die Technik ja zu empathischeren Menschen. Vielleicht rutschen wir aber auch in ein Gefühlsdiktat der Technik ab und das wirkliche Fühlen wird abgeschafft, da ja nur ein Blick auf das Smartphone (oder durch die Google Glasses) reicht, um zu „wissen“, wie es uns und allen anderen geht. Aber das ist an dieser Stelle möglicherweise zu dystopisch. Was man jedoch mit Sicherheit sagen kann: Im alltäglichen Leben ist Mimikresonanz nichts, das erst technisch ermöglicht werden muss. Jeder kann nur durch Aufmerksamkeit auf die kleinen Dinge ein einfühlsamerer Mensch und besserer Gesprächspartner werden.

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