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Frühstückslektüre | Warum sind wir nicht ehrlich?

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Vor einiger Zeit hatte ich einen neuen Haarschnitt. Den meisten Leuten in meinem Umfeld hat er anscheinend gefallen und ich wurde auch häufig gefragt, bei welchem Frisör ich war. Meistens habe ich mir dann irgendwas ausgedacht. Sogar meinem Freund habe ich die Wahrheit nicht erzählt. Bis ich es dann gebeichtet habe: “Jaaaaa, eigentlich habe ich mir die selbst geschnitten..”. Tja, es ist wortwörtlich schief gelaufen. Ich habe mich geschämt. Aber warum habe ich nicht einfach sofort die Wahrheit gesagt? Viele Leute fanden es ja auch cool.

(CC BY 2.0) Lord Jim / flickr.com

Im Internet kursieren verschiedene Zahlen über das Lügen. Am häufigsten liest man, dass wir angeblich 200 mal pro Tag lügen sollen. Das klingt nach einer ganzen Menge, aber wenn man jede kleine Höflichkeitslüge hinzu zählt, ist das vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich. Aber wieso umgehen wir so oft die Wahrheit? Der Sozialpsychologe Peter Stiegnitz hat eine einleuchtende Antwort darauf:

“Lügen ist bequem, gut und nützlich - solange wir damit uns und anderen nicht Schaden  zufügen.”

Wahrheit → Reibung → Stress

Zwei amerikanische Studien haben ergeben, dass wir am Abend am meisten lügen. Das könnte daran liegen, dass wir am Ende des Tages keine Kraft mehr haben, uns mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen.  Es wird gerade in den Situationen interessant, in denen Konflikte entstehen könnten. Wie gehen wir damit um? Entweder wir ignorieren es: das Problem bleibt bestehen. Oder wir sprechen es an, drücken uns aus und das Gegenüber kann damit umgehen. Das heißt auch, dass er oder sie abblocken kann. Ob die andere Person sich damit auseinandersetzen möchte oder nicht, ist nicht unsere Entscheidung. Ehrlichkeit heißt nämlich nicht automatisch respektlos zu sein.

Das bezieht sich nicht nur auf Zwischenmenschliches. Es kann schon sehr verführerisch sein, einem Problem mit uns selbst aus dem Weg zu gehen. Wenn wir das bei anderen machen, leiden unsere Beziehungen darunter. Bei uns selbst ist das nicht anders.

Um einen Fortschritt zu machen und sich weiterzuentwickeln, muss man sich den hässlichen Wahrheiten stellen. Ansonsten bleibt man auf der Stelle stehen. Das sagen die radikal Ehrlichen.

Ich setzte mich damit auseinander oder ich lasse es. Es gibt bei (unangenehmen) Themen leider nur diese beiden Möglichkeiten. Jedes mal auf’s neue, jedes mal nervt es wieder und jedes mal ist es schmerzhaft. Es ist aber unabdingbar und absolut notwendig für ein glückliches Leben.


Radikale Ehrlichkeit: Die perfekte Lösung?

Radikale Ehrlichkeit heißt nicht, dass man jedem auf der Straße seine Meinung in’s Gesicht ballert: “Alter, was hast du denn da an? Das sieht einfach nur scheiße aus”, oder “Hallo, ich will mit dir schlafen.”. Also von mir aus könnt ihr das ausprobieren, schickt mir doch gerne eure Erfahrungen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das vielen Leuten nicht so gut bekommt.

Vertretern der “Radical Honesty” geht es eher darum, seine eigenen Gefühle wahrzunehmen und dann auch artikulieren zu können. Mir geht es zum Beispiel häufig so, dass ich mich fremden Leuten und deren Meinung am Anfang anpasse. Wenn mir das dann später auffällt ärgert mich das total. Ich möchte nun mal von anderen akzeptiert werden und habe Angst vor Ablehnung. Wenn man aber lernt in sich hinein zu horchen und zu verstehen, wie man sich warum fühlt, kann man besser damit umgehen. Vielleicht kann ich es so schaffen, mir selbst treuer zu bleiben.


Der feine Unterschied

Wahrheit ist nicht gleich Allheilmittel und Lüge nicht Sünde. Man muss glaube ich nicht erklären, warum manipulative Lügen uncool sind. Auch wenn man sich selbst bewusst besser darstellt, setzt man damit andere unter Druck (siehe Instagram). Es gibt aber Situationen, in denen die Lüge tatsächlich der beste Weg ist. Stichwort Notlüge. Man musste den Eltern früher nicht sagen, dass man mehr als ein Bier getrunken hat. Um eine Freundin aufzumuntern, kann man ihr auch versichern, dass sie gestern Abend gar nicht so betrunken war: “Hat auch keiner mitbekommen, dass du dir in die Hose gemacht hast!”* Wenn man aus altruistischen Gründen, also Höflichkeit, Liebe, Rücksicht oder Mitgefühl lügt, dann kann das in Ordnung sein. Man muss die Situation aber richtig einschätzen.

“Lügen machen das Leben lebenswerter”, so Peter Stiegnitz.

Es klingt so trivial, aber wir sollten echt versuchen, ehrlich zu uns und unseren Mitmenschen zu sein, wenn es um wichtige Themen geht. Es gibt eine Studie der Harvard Universität, die zeigt, dass Menschen, die mehr tiefgehende Gespräche führen, glücklicher sind. Also go for it! Macht euch emotional nackt vor euren Liebsten! Ich weiß, das macht Angst. Meiner Erfahrung nach lohnt es sich aber, es kann ganz oft einfach nur super befreiend sein.

Für alle die noch ein bisschen lost sind, ist hier ein wikihow zum ehrlich zu sich selbst sein.


via GIPHY

*frei erfunden


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