Frühstückslektüre | Öko-Siegel oder Primark- Lohnt sich das bewusste shoppen?
Verfasst von Annika Gollnik am
Wieder stehe ich vor meinem geöffneten Kleiderschrank und verzweifele. Was
will ich denn mit dieser Hose? Da passe ich doch nie mehr rein! Seit zwei
Jahren liegt die jetzt schon hier im Schrank. Und dieses Oberteil! Was ist das
für ein Fehlkauf! Kein einziges Mal angehabt. Das Kleid, überall Löcher und
überhaupt nicht mehr mein Stil!
Stunden später habe ich es endlich geschafft: ich habe ausgemistet! Total stolz
drehe ich mich um... und sehe vier volle Kleidersäcke. So ein Mist. Was mache
ich denn jetzt damit? Der nächste Blick geht zurück zu meinem Kleiderschrank
und mir wird klar: ich sollte dringend bewusster einkaufen. Dazu habe ich jetzt
auf jeden Fall Gelegenheit, denn es befindet sich kaum noch etwas zum Anziehen
darin. Leider hat das Ausmisten vor allen Dingen eines gebracht: Ratlosigkeit.
Ein ökologischer Kleiderschrank ist
sinnvoll, wenn dadurch Ausbeutung und Umweltverschmutzung verhindert werden
Also heißt es wohl an die Arbeit. Erstens wohin mit den alten Sachen und zweitens shoppen, aber wo? Man will meinen sich dabei ohne Weiteres nach den gängigen Öko-Siegeln richten zu können. So einfach ist es dann wohl doch nicht. Jedes Öko-Siegel scheint für etwas anderes zu stehen und ich bin am Ende nur eines: ganz schön verwirrt. Außerdem fange ich mich an zu fragen, ob alle Öko-Siegel halten was sie versprechen und werde misstrauisch. Kann ich den Siegeln wirklich vertrauen? Oder mache ich es mir einfach und gehe in den nächsten Primark und kaufe dort ein?
Mich überkommt ein schlechtes Gewissen. So vieles, was ich an der Produktion von Bekleidung verwerflich finde. Wie zum einen die Ausbeutung von Arbeitskräften bis hin zu Chemikalien-Nutzung, die die Umwelt zerstört und vergiftet. Unterstützen möchte ich das ungerne weiterhin. So schwer kann es doch nicht sein Unternehmen zu finden, die sich nicht dieser Art Massenproduktion widmen! Aufgeben ist also keine Option. Denn besonders Umweltverschmutzung betrifft ja jeden einzelnen.
Eine kleine Anleitung zu einem Ökologischen Kleiderschrank.
Und siehe da: Greenpeace hat solche verzweifelten Stimmen wahrgenommen! Dort
finde ich Hilfe. Zum Beispiel einen Einkaufshelfer, der
Unternehmen aus verschiedenen Städten mit Adresse aufgelistet hat. Aber noch
besser ist der neue „Textil-Siegel-Check“. Dort werden die
acht gängigsten Öko-Siegel untersucht und bewertet. Überglücklich lese ich mir
den Test durch und meine Augen strahlen immer mehr. Damit kann ich wirklich
etwas anfangen und mein Misstrauen abbauen. Aufgrund der Bewertung mit kurzen
Texten fällt es mir leichter ein Öko-Siegel, dass zu meinen Interessen und
Vorstellungen passt, auszuwählen. Im Test sind kurze Texte zu „Kurzinfo zum
Standard“, „Chemikalien“ und „Kreislauffähigkeit“/Recycling“ zu finden. Zumal
ich zum Beispiel das Siegel „GOTS“ überhaupt nicht kannte und es mir das
Recherchieren vereinfacht.
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Bei kaputten Textilien: Kreativität freien Lauf lassen und Nähen (lernen)
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Jetzt will ich wirklich mitmachen und helfen. Also nehme ich unter anderem das Kleid mit den vielen Löchern in die Hand. Von wegen nicht mein Stil! Nadel und Faden und alte Nieten von einem alten Nietengürtel kommen hier zum Einsatz. Was habe ich vor? Beim Kleid fällt mir auf, dass sich die Löcher oben am Kragen und an den Schultern befinden. Mithilfe einer Schere verwandele ich den V-Ausschnitt in einen U-förmigen Ausschnitt, der die Schultern etwas freigibt. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Löchern an der Schulter steche ich weitere Löcher hinein. Die Schulterpartie hat jetzt ein schönes Muster. So wird das Kleid für mich wieder tragbar und es ist auch noch ein Einzelstück! Mich macht es glücklich und die Umwelt wird nicht unnötig belastet. Die Aktion hat noch was Gutes: ich musste keinen einzigen Cent ausgegeben, habe dennoch ein (quasi) neues Kleid im Schrank.
Weiterhin kommen hier alle Näh-Tipps von Mutti und Papas Kleber-Know-How endlich zum Einsatz. Zwei Cardigans finde ich in den Säcken, die ich an und für sich liebe und gerne trage. Aber sie haben Löcher an den Ärmeln. Meine Lösung für das Problem: Ärmel umkrempeln und zunähen, außerdem noch einzelne Nieten von meinem alten Nietgengürtel befestigen. So werden die Cardigans zu richtigen Hinguckern!
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Statt zu entsorgen: umfunktionieren.
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Beim weiteren durchstöbern der aussortierten Säcke finde ich
zwei lange Jeans, die ich nur wegen ihrer Färbung nicht mehr haben wollte.
Diese funktioniere ich zu kurzen Hosen um: kommt ja eh jetzt der Sommer!
Gleichzeitig verschwinden die Stellen, die mir nicht gefallen. Außerdem lässt
sich eine Jeans-Bluse
super einfach zu einem Rock binden. Das Ganze macht mir unglaublich viel
Spaß!
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Weiterverwertung von Kleidung, damit durch den Entsorgungskreislauf nicht
noch mehr Chemikalien in die Umwelt gelangen.
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Ich rate dazu, sich dabei z.B. von Pinterest (Stichworte: diymode, diyfashion oder zerowastefashion) inspirieren zu lassen oder einfach auszuprobieren! Notfalls können die Sachen, die nichts geworden sind, auch als Putzlappen oder zum Polieren verwendet werden.
Ein paar Oberteile finde ich, die mir zwar nicht mehr passen, aber bei denen ich weiß: meiner Cousine werden die sicher gefallen! Diese packe ich zusammen und frage sie, ob sie meine alten Sachen haben möchte. Tatsächlich nimmt sie sie! Sie muss nicht mehr shoppen, dazu kein Geld ausgeben und ich muss die Textilien nicht entsorgen! Win-Win-Situation würde ich sagen.
Zwei Säcke bekomme ich nicht verwertet. Doch auch da findet sich eine
Lösung: an Geflüchtete spenden. Ich nehme die letzten beiden Säcke, mache diese
zu und will diese bald möglichst zum nächsten Flüchtlingsheim in meiner Nähe
bringen. Eine von vielen Optionen, denn es gibt auch noch die Möglichkeit
Altkleidercontainer von den Maltesern zu verwenden, oder bei gemeinnützigen
Kleiderkammern Kleidung für Bedürftige zu spenden. Weiterhin haben u.a.
H&M, Globetrotter und Eterna eine Kleiderrückspende. Hierbei bekommt man für
jeden abgegebenen Sack mit Textilien zum Beispiel Gutscheine. Leider regt das
zu schnellem Neukauf an und durchbricht den negativen Einfluss der
Modeindustrie, zu viel (nach-)produzieren zu müssen, nicht.
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Nicht jedes Teil sofort Neukaufen.
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„Fast Fashion“ ist meiner Meinung nach Out. „Zero Waste“ hingegen ist die Zukunft. Das umweltfreundlichste Kleidungsstück ist immer noch das Verwertete. Wie zum Beispiel durch „Second-Hand-Mode“ oder das Umwandeln von Kleidung. Für mich lohnt sich das bewusstere Einkaufen auf jeden Fall. Gerade auch, weil die Siegel entgegen meiner Skepsis mehr oder minder halten was sie versprechen. Geldsparen, Mode kreieren, die mehr zu mir passt, als ein Modeunternehmen es mir jemals bieten könnte, weniger Chemikalien im Müll... alles Gründe meinen Konsum zu überdenken.
Mehr Kreativität und Einzelstücke braucht das Land!
Und an alle Studierenden unter euch: schaut doch mal in den Leitfaden des AStA, genannt "Ökoreader". Dort finden sich ebenfalls super Tipps zur Nachhaltigkeit. Viel Spaß beim kreativen Ausleben!