Frühstückslektüre | Lohnt sich Vintageshopping überhaupt?
Verfasst von Mariam Misakian am
In Zeiten von Zerowaste und Minimalismus erfreut sich Secondhandshopping immer größerer Beliebtheit. Der Trend wurde längst erkannt: Der Gebrauchtwarenhandel scheint momentan einen regelrechten Boom zu erleben - In den Großsstädten schießen die Vintageläden wie Pilze aus dem Boden. Doch lohnt sich Vintageshopping wirklich?
Vintageläden treffen den Zeitgeist
Vor allem auch unter jungen Menschen steigt das ökologische Bewusstsein im Angesicht von "Made in Bangladesh"-Ettiketten und zweifelhaften Recyclingkampagnen großer Modeketten, hinter denen tatsächlich Greenwashing steckt. Vom kapitalistischen Massenkonsum und der Wegwerfesellschaft wollen sich inzwischen viele zurecht abwenden und dank Secondhand stattdessen nachhaltig einkaufen. Aber auch abseits des Moralaposteltums: Wir Menschen sind seit Anbeginn der Zeit Jäger und Sammler gewesen und Stöbern macht den meisten von uns einfach Spaß. Umso aufregender ist es, wenn man bei der Suche auch noch auf Zeitreise gehen und Teile aus der Zeit von Mamas oder sogar Omas Jugend ergattern kann.
Gutes Tun und dabei auch noch Spaß haben - soweit die Theorie. Aber in der Umsetzung sieht das Ganze häufig anders aus. Beim Vintageshoppingausflug macht schnell Ernüchterung breit. Beim Betreten einiger Secondhandläden wird man schon von einem muffigen Geruchcocktail erschlagen und kann sich in den engen Gängen an den überfüllten Kleiderstangen kaum noch einen Überblick verschaffen. Es gibt jedoch auch viele Läden, die dieses Klischee nicht bedienen wollen und mit ihrer hippen, urbanen Einrichtung den zeitgenössischen Geschmack treffen. Sie sind auch zum Teil um einiges besser organisiert, als man es vor einigen Jahren noch gewohnt war. So kann man tatsächlich gezielt nach Kleidungsstückart und seiner Größe Ausschau halten – das erleichtert die Suche natürlich und ist ein großer Pluspunkt.
Spart man wirklich?
Auf den zweiten Blick fällt jedoch auf: Das hat auch seinen Preis. Ein Pulli kostet 20 Euro aufwärts und die Jeansjacke aus zweiter Hand kostet auch schonmal 80 Euro. Wüsste man nun genau, dass es sich hierbei um einst teure Qualitätskleidung einer altbewährten Marke handelt, wäre die Investition ja unter Umständen noch eine Überlegung wert. Leider ist aber häufig gar nicht ersichtlich, von welchem Hersteller die Teile überhaupt stammen, denn viele Ladenbetreiber entfernen die Ettiketen und ersetzen sie durch die hauseigenen.
Auch
beim Konzept, Kleidung als Kiloware zu shoppen, wie es beispielsweise
der kürzlich in Köln eröffnete „Pick & Weight“ Laden
vormacht, ist die Ausbeute nicht so günstig, wie erhofft. Auch da
kommt man für eine Damenbluse schnell mal auf knapp 15 Euro. Bedenkt
man, dass das mitunter C&A-Blusen sind, dann entspricht das dem
Neupreis. Laut eigener Webseite erhält PicknWeight den
Größteil ihrer Ware von der SOEX Group, einem
Alttextilvermarktungsunternehmen, dass die Ware selbst aus
Altkleiderspenden bezieht. Einige
Kleidungsstücke werden lässt PicknWeight auch aus den USA oder Japan einfliegen. Die
Verschiffungs- und Verarbeitungskosten mögen letztenendes womöglich
die Preise rechtfertigen, dennoch macht es den
noblen
Nachhaltigkeitsgedanken
zum
Teil wieder
obsolet. Hinzu kommt, dass ich selbst als Kleiderspendende den Anspruch habe, dass diese an
Hilfsbedürftige kommen und nicht, dass sich spezialisierte
Unternehmen
daran eine goldene Nase verdienen.
Fazit
Mode ist natürlich immer noch auch eine Form der Selbstdarstellung. Sie kann Gruppenzugehörigkeit demonstrieren und ist Ausdruck des individuellen Geschmacks. Möchte man sich abseits des Mainstreams und der Massenproduktion bewegen und nicht jeden Trend mitmachen, so sind Secondhandläden die beste Fundgrube für Einzelstücke. So schnell wird sich dann niemand finden, der auf dem Campus das Gleiche trägt. Diejenigen, die speziell auf der Suche nach Designerteilen oder günstigerer Markenkleidung sind sowie Nostalgiker längst vergangener Modezeiten kommen in vielen Fällen ebenfalls auf ihre Kosten. Was nicht neu produziert wird, verschwendet außerdem immer noch weniger Ressourcen. Insofern lohnt sich Second Hand noch.
Und dennoch: Auch beim Secondhandshopping sollte man sich nicht abzocken lassen und Preise vergleichen. Im Zweifelsfall gibt es immer noch die guten alten Flohmärkte (notfalls inzwischen auch online über Kleiderkreisel und co.). So geht man immerhin auf Nummer sicher, dass die Ware direkt von Verbraucher zu Verbraucher gelangt und keine allzulangen Verarbeitungsschritte und Wege zurücklegen muss. Also heißt es auch bei Gebrauchtware ebenso wie bei Neuware: Augen auf bei der Auswahl und abwägen, ob sich der Kauf, preislich und ethisch betrachtet, überhaupt lohnt.