Back in the days..
Verfasst von Richard Krings am
Nichts macht mehr Spaß als in alten Fotoalben aus Kindheitstagen zu stöbern. Das kann nämlich oftmals zu der ein oder anderen Überraschung führen.
Als ich das letze Mal meine Eltern besucht habe, fragte ich meine Mutter nach alten Kinderfotos von mir und meinen Geschwistern. Aus dem massiven Wohnzimmerschrank mit den Brettspielen zieht meine Mutter eine große Box mit mehreren Fotoalben. Chronologisch arbeite ich mich bis zu den frühen 90er Jahren vor. Bei einem Bild von mir bleibe ich hängen. Mit lila-türkiser Regenjacke und falsch herum aufgesetzter Garfield-Cap (man, hatte ich damals swag..) hocke ich auf dem Boden. Vor mir sitzt eine junge Schnee-Eule, die unbeeindruckt in die Kamera guckt. Wann und wo war das denn? Das bin zwar augenscheinlich ich, der da breit grinsend mit dem uhuverwandten Vogel abhängt, aber ich kann mich nicht im Geringsten daran erinnern. Erst als mir meine Mutter auf Nachfrage von dem Tierparkbesuch erzählt, finden nach und nach die Erinnerungsfetzen den Weg in mein Gedächtnis. Meine Erinnerung, dass ich an besagtem Tag auch einen Greifvogel auf meinem Arm hab sitzen lassen, muss meine Mutter jedoch lachend verneinen.
Aber wieso ist das so? Kinder haben eigentlich ein ziemlich gutes Gedächtnis. Ab ca. sieben Jahren beginnt jedoch die sogenannte Kindheitsamnesie. Dann können sich die Kinder immer weniger an das Erlebte ihrer ersten Lebensjahre erinnern. Das hängt vermutlich mit dem Spracherwerb zusammen. Erinnerungen die anhand von Bildern oder Gefühlen gespeichert werden, vergisst man nicht so schnell wie Ereignisse, die man im Kopf verbalisiert hat. Dadurch gehen auch einige Erinnerungen der frühesten Kindheit flöten, die im Alter von drei oder vier Jahren noch fest im Gedächtnis verankert waren.
Videoaufnahmen von uns als kleine Stöpsel haben wohl die wenigsten in unserem Alter. Bei der heute heranwachsenden Generation sieht das natürlich anders aus. Meine Nichte beispielsweise, die ständig im Fokus irgendwelcher Smartphone-Videos steht, wird später wahrscheinlich mal Zugriff auf eine umfangreiche Dokumentation ihrer eigenen Kindheit haben. Vorausgesetzt, die Daten werden sorgfältig archiviert und regelmäßig durch einen Backup gesichert. Denn im Gegensatz zur analogen Datenerhebung, bei der das Betätigen des Auslösers der Kamera noch sorgfältig überlegt wird, ist die Menge an Daten, die digital erfasst werden, ziemlich hoch. Wenn man die Archivierung nicht versäumt, kann sich meine Nichte dann in Zukunft vielleicht selbst beim Füttern der Damhirsche im Tierpark beobachten.
Die Frage ist, wie sich das umfassende Datenarchiv der ersten Lebensjahre auf die Kindheitserinnerungen auswirkt. Denn bei mir spielt die Fantasie eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn es um das ein oder andere Ereignis aus meiner Kindheit geht.