Über abergläubische Tauben und Glücksbälle
Verfasst von Kathrin Hetzel am
Harvard. 1948. Der Psychologe Burrhus F. Skinner führt in einem Labor Experimente zur Verhaltensanalyse von Tauben durch. Dazu werden die Tiere einzeln in Kisten gesetzt. Alle 15 Sekunden rieselt automatisch Futter in die Kisten.
Man könnte meinen, die Tauben wären zufrieden mit der Situation, schließlich bekommen sie ja automatisch und garantiert alle 15 Sekunden etwas zu Fressen. Trotzdem ändern sie ihr Verhalten:
Während sich die Tiere anfangs vollkommen willkürlich in der Kiste bewegt haben, scheinen sie nach einiger Zeit jeder für sich ein spezielles gleichbleibendes Verhaltensmuster entwickelt zu haben. So pickt eine der Tauben beispielsweise wiederholt in eine Ecke der Kiste, eine andere beginnt sich stetig im Kreis zu drehen, eine weitere hebt immer wieder ein Bein.
Was ist passiert? Eine der Tauben hat sich womöglich unmittelbar bevor sie das Futter erhalten hat, gerade im Kreis gedreht. Für uns scheinen diese Ereignisse vollkommen zufällig und willkürlich zu sein, da wir ja wissen, dass die Taube garantiert alle 15 Sekunden Futter bekommt. Für die Taube sieht die Sache jedoch anders aus. Möglicherweise ist das Ganze nämlich noch ein zweites Mal genauso passiert. Gedankengang Taube: „Aha! Wenn ich mich also im Kreis drehe, bekomme ich Futter! Gut, dann sollte ich das wohl jetzt immer so machen, ansonsten gibt mir die unerklärliche Futterquelle nichts mehr.“
Wenn der Zusammenhang von Ursache und Wirkung fälschlicherweise nicht als reiner Zufall, sondern als eine höhere Macht interpretiert wird, sprechen wir häufig vom sogenannten „Aberglauben“.
Moment: Aberglaube. Also blutige Opferriten, antike Orakel, der regelmäßig vorausgesagte Weltuntergang der Maya oder unsinnige Horoskope? Gut, dass heute niemand – außer vielleicht ein paar einfältigen Tauben – daran glaubt.
**EILMELDUNG: "Frau wirft vor Abflug Kleingeld in Turbine der Maschine, um Sicherheit des Flugs zu garantieren."(Meldung vom 28.7.2017)**
Okay, hallo die Frau war schon über 80 UND Buddhistin!
Eine Studie der Uni Köln hat unlängst die Wirkung von Aberglauben in unserer heutigen Zeit untersucht. In dieser Studie wurden die Versuchsgruppen aufgefordert mit zwei jeweils unterschiedlichen Bällen Golf zu spielen: einem ganz normalen Ball und einem „Glücksball“. Das Ergebnis: Die Probanden mit „Glücksball“ trafen häufiger, waren konzentrierter und deutlich zuversichtlicher als die Gruppe der Probanden mit normalem Ball.
Okay, also soll das jetzt heißen, Aberglaube ist echt?
Nein, denn sonst würde man es nicht Aberglaube nennen. Doch er hat dennoch Wirkung auf unser Leben. Ein bestimmtes Ritual – Sportler mit Glücksschuhen oder Talismanen – geben uns das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Und zwar auch Ereignisse, die sich nicht richtig kontrollieren lassen: Habe ich die Klausur nun bestanden, weil heute Montag ist oder weil die Sonne geschienen hat, weil ich super viel gelernt habe oder war es vielleicht doch der Glücksbringer, den ich dabei hatte? Lieber nichts riskieren: beim nächsten Mal mache ich es lieber noch einmal ganz genauso!
Aberglauben gibt es also auch heute noch. Es müssen auch nicht schwarze Katzen, zerbrochene Spiegel oder vierblättrige Kleeblätter sein. Wenn wir ganz ehrlich sind hoffen wir zumindest ein ganz kleines bisschen, dass Daumendrücken irgendwas bewirkt.