Sind Amphetamine das neue Studentenfutter?
Verfasst von Niels Brause am
Im
Umgang mit leistungssteigernden Mitteln gibt es zwischen deutschen
und amerikanischen StudentInnen kulturell bedingte Unterschiede.
Die Soziologin Greta Wagner hat das Phänomen untersucht und ein Buch mit ihren Ergebnissen veröffentlicht.
Hausarbeiten, Klausuren und mündliche Prüfungen - das Semesterende ist auch für den entspanntesten Langzeit-Studenten Stress pur. Stundenlange Lernsessions in der Uni-Bib, wenig Schlaf und viel zu viel Stoff, der in viel zu kurzer Zeit durchgenommen werden muss. Das alles geht auf Kosten der Konzentrationsfähigkeit. Um die zu steigern, gibt es allerhand Hausmittelchen und Tricks. Zu den Klassikern des legalen „Gehirndopings“ zählen Kaffee, Traubenzuckertabletten und das "good-old German Studentenfutter". In den USA greifen Studenten statt zu Nüsschen und Mandeln auch ab und an mal gerne zu Amphetaminen, zumindest laut Greta Wagners neuveröffentlichten Buch „Selbstoptimierung“
„Neuroenhancement“ nennt sich dieses Phänomen und Wagner hat dazu StudentInnen in Frankfurt und New York zu ihrem Umgang mit leistungssteigernden Substanzen befragt. Deutsche und amerikanische Studenten haben anscheinend unterschiedliche Moralvorstellungen was Gehirndoping angeht. In Deutschland nehmen weniger als ein Prozent der Studierenden regelmäßig Ritalin. Ritalin ist das wohl bekannteste leistungssteigernde Mittel und als verschreibungspflichtiges Mediakament auch in Deutschland erhältlich.
Ein Prozent ist keine dramatische Zahl,
besonders im Vergleich mit den amerikanischen Kommilitonen - dort
sind es ganze sieben Prozent der StudentInnen die Ritalin zur
Leistungssteigerung einnehmen. An Elite-Unis mit viel Konkurrenzdruck
vermutet Wagner noch höhere Quoten und es scheint auch Unterschiede
in den Studienfächern zu geben. Eine amerikanische Studentin der New
York University behauptete gegenüber Wagner, während der
Klausurphase sei jeder in der Unibibliothek auf Amphetaminen.
Aber warum nehmen in den USA Studien zufolge siebenmal mehr StudentInnen Drogen um besser durchs Studium zu kommen?
Eine
Tatsache ist, dass in den USA mehr Ampethamine als Medikamente
verschrieben werden können und die generelle Bereitschaft Psychopharmaka zu verschreiben ist höher. Das heißt der Zugang zu
solchen Substanzen ist insgesamt leichter- was laut Wagner eine der
Ursachen für den höheren Konsum bei amerikanischen Studenten
darstellt. Die Haltung gegenüber leistungssteigernder ist in der
Folge weit weniger negativ. Das heißt amerikanische StudentInnen
haben weniger Bedenken bei dem Konsum als deutsche
StudentenInnen.
Ein weiterer Unterschied den Wagner zwischen
der amerikanischen Studentenschaft im Vergleich zur Deutschen sieht
ist, dass ein anderer Erfolgsethos vorherrscht. Amerikanische
StudentenInnen stehen tendenziell mehr unter Druck und das nicht nur
wegen der hohen Studiengebühren. Der Anspruch unter allen Umständen
erfolgreich zu sein, könnte die Schattenseite des amerikanischen
Traums zu sein. Dem eigenen Selbstbild möglichst nahe zu kommen
bedeutet "authentisch" zu sein. Der Weg dahin erlaubt viele
Mittel - wenn es drauf ankommt auch mal Drogen.
Durch die deutsche "Kultur-Brille" wirkt dies vielleicht widersprüchlich. Ist man nicht, ganz im Gegenteil, eher unauthentisch wenn man leistungssteigernde Substanzen konsumiert? Die deutschen StudentInnen empfanden, dass regelmäßiger Drogenkonsum dazu führt, dass man nicht mehr wirklich man selber ist - also unauthentisch wird. Außerdem überwog das Gefühl, sich mit dem Konsum einen ungerechten Vorteil zu verschaffen und die Regeln des Fair-Plays zu verletzen. Auch war die Bereitschaft geringer, seine Gesundheit dem Erfolg unterzuordnen.
Ein weiteres Ergebnis der
Studie dürfte daher die deutschen StudentenInnn sehr freuen. Die
Einnahme von Amphetaminen schafft gar nicht unbedingt bessere
Leistungen. Professoren der NYU berichteten Wagner, dass es leicht
ist zu erkennen, welche Arbeiten unter Drogeneinfluss geschrieben
wurden. Solche Texte würden meistens nicht wirklich zum Punkt kommen
- jeder Aspekt scheint unheimlich interessant zu sein.. Die
StudentInnen sind zwar möglicherweise kurzfristig motivierter, aber
die Ergebnisse dadurch nicht unbedingt besser.
Eine wirksame
Alternative zu Amphetaminen hat Wagner auch parat: Sport, gesunde
Ernährung und genug Schlaf. Diese drei Faktoren haben ihren
Beobachtungen nach den größten Einfluss auf die geistige
Leistungsfähigkeit des Menschen. Also geht während der nächste
Prüfung nicht trotzdem joggen und früh schlafen, sondern gerade
deswegen. Ersteres beugt auch vor, dass das kalorienreiche
Studentenfutter euch auch nach der Prüfungsphase als Hüftgold noch
begleitet.