Wenn der Videothek-Ausweis unbemerkt verschwindet
Verfasst von Viola Müter am
Videotheken gehören zu den vom Aussterben bedrohten Gattungen. Und da es nicht der Aufgabenbereich des WWF ist, das zu verhindern, wäre das doch eigentlich unsere Aufgabe. Doch kaum jemand macht sich noch die Mühe, sich aktiv aus dem Haus zu bewegen, um sich für gemütliche Abendstunden einen Film auszuleihen.
Zwischen 2008 und 2014 wurde fast jeden Tag eine Videothek geschlossen. Das heißt, auch wenn ich es schaffe, mich aufzuraffen und dorthinzugehen, wo ich glaube, dass mal eine Videothek war, ist sie es wahrscheinlich schon gar nicht mehr da. Aber warum sollte man das auch nutzen? Es ist schon anstrengend genug, sich zwischen der großen Auswahl an Video-on-Demand-Diensten zu entscheiden.
Früher musste ich für die nächste Videothek extra in den Nachbarort fahren. Und damit meine ich, dass meine Eltern mich mitgenommen haben, wenn sie dort in einem großen Supermarkt einkaufen waren. Kurze Zeit später eröffnete in meinem eigenen Dorf zwischen der Eisdiele und dem Wettbüro eine kleine schlecht beleuchtete Videothek mit stickiger Luft und schmächtiger Auswahl. Das größte Regal war mit Romantic Comedies bestückt. Trotzdem hatte ich einen Ausweis. Und es war für mich immer wieder ein aufregendes Erlebnis, alleine oder mit Freunden dort zu stöbern und einen Film mit nach Hause zu nehmen. In meiner Peer-Group war es mit 14 so ein Ding, sich deshalb auf die Volljährigkeit zu freuen, weil man dann Porno Ping Pong spielen kann.
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Mit 18 bin ich nicht nochmal auf die Idee gekommen. Der Videotheksausweis verschwand hinter alten Kassenbons und wurde vermutlich mit ihnen versehentlich in den Mülleimer verfrachtet. Irgendwann wurde die Dorf-Videothek so irrelevant, dass ich es nicht einmal mitbekam, als sie geschlossen wurde.
Ähnlich sieht mein Verhältnis zu DVDs aus. Seit Jahren habe ich mir keinen Film mehr gekauft. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich einmal in der Schule 5 Euro auf den Boden gefunden und mir sofort Inglorious Basterds für 4,99 Euro gekauft hatte. Auch die mühsam mit Mathenachhilfe erarbeiteten Groschen wurden direkt in DVDs umgewandelt.In meinem alten Zimmer in der Heimat steht noch immer ein Regal voller Filme, das, bis auf die heilige Stanley-Kubrick-BluRay-Box, nicht den Weg nach Köln gefunden hat. Genauso der Fernseher, auf dem ich früher an Wochenende mindestens drei Filme hintereinander angeschaut habe. Er passt einfach nicht ins Zimmer. Heute frage ich mich, aus welchem Grund ich Filme überhaupt ins Regal stellen sollte. Es gibt nun die Möglichkeit, dass sie keinen Platz wegnehmen, weil man sie online schauen kann und trotzdem für den Dienst bezahlt. Andererseits könnte ich mir die gleiche Frage bei Büchern stellen.
Es würde mich nicht verwundern, gäbe es in Zukunft einen neuen Retro-Trend zurück zu den Videotheken und zurück zu DVDs - schließlich ist Nostalgie zurzeit super in!