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Post-Concert-Depression und K.I.Z.

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Endlich ist es soweit. Morgen ist das Konzert, für das man schon seit Monaten Tickets hat. Die Vorfreude ist so lang und groß und das Konzert dafür viel zu kurz. Dieses gemischte Gefühl nach dem Konzert ähnelt sich bei vielen Menschen, deshalb hat es sogar einen Namen:  „post-concert-depression“.

(CC-0) jorgejimenez / pixabay.com

Die US-amerikanische Musikzeitschrift „Alternative Press“ hat dieses Gefühl in neun Phasen zusammengefasst. Und ich war mal auf einem Konzert von K.I.Z. und versuche mich in den folgenden Zeilen an jene Zeit zurückzuerinnern und diese Phasen anzuwenden. 

Phase I - Euphorie
Die Euphorie der letzten 2 1/2 Stunden klingt noch etwas nach. Vor allem aber spüre ich schon die mich in den nächsten Tagen erreichenden blauen und gelben Flecken - meistens geschuldet den vielen von der Bosstransformation gestählten, meist männlichen KIZ-Fans. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass Weiberfastnacht ist und ich mich auf dem Zülpicher Platz befinde. Schön kuschelig und es war nicht wirklich möglich, lange seinen Platz zu halten. Bevor ich mich nach dem Konzert allerdings kaufwillig zum Merchstand oder zum Tisch der Partei "Die PARTEI" begebe, suche ich meine Freunde, die ich schon während des ersten Songs verloren habe.

Phase II - Reflexion
Erstmal reflektieren, was so passiert ist. Oder einfach die 30min, die der Zug ins Heimatkaff braucht, schlafen. Ich hatte während der Erholungsphasen, also ruhigerer Lieder, vor allem Spaß daran, das Publikum zu analysieren. He, da hinten steht doch meine alte Religionslehrerin und dort drüben dieser eine Typ aus meiner Stufe, der die AfD ganz geil findet - „Adolf Hitler - echt geiler Song.“ Neben letzteren Intelligenzbestien lag noch eine große Herausforderung darin, den mit Schminke verlaufenden glasigen Augen viel zu euphorisierter Mädels zu entkommen. Das wollte ich nicht auf meiner Kleidung haben. Ich sah hier neben den aufgepumpten Tank-Top-Boys vor allem viel Groupie-Potenzial in den jungen Gesichtern. Viele trugen die letzten beiden Ziffern ihres Abiturjahrgangs auf den Wangen. Das noch in der Zukunft lag.  Okay, ein verwackeltes Video mit übersteuertem Ton habe ich trotzdem noch auf Instagram gepostet.

Phase III - Realisation
Okay, wow, dieses Konzert hat mein Leben verändert. Vor allem aber habe ich gelernt, dass man sich vielleicht nicht sofort ganz nach vorne stellen sollte.  Die große sportliche Aktivität am Anfang hat nämlich dafür gesagt, dass ich nach 30min schon ein bisschen Frischluft tranken und mir  für drei Euro eine kühle Cola kaufen musste.

Phase IV - Realität
Zurück in den Alltag. Das Gefühl, gestern richtig gelebt zu haben und heute einfach nur noch zu funktionieren. Ehrlich gesagt tut mir nur alles weh.

Phase V - Sich ausgeschlossen fühlen
Anderen Leuten von dem lebensverändernden Erlebnis erzählen und sich unverstanden fühlen.
„Papa, das K.I.Z-Konzert war echt gut, hat Spaß gemacht.“ Papa versteht Hip-Hop nicht und erzählt vom Genesis-Konzert. Ich bin ein bisschen neidisch auf ihn.

(CC BY 2.0) illustir / flickr.com

Phase VI - Stalking
Gleichgesinnte in sozialen Netzwerken finden. Den zum Konzert gehörenden Hashtag habe ich schon mal nachgeschaut. Vor allem, um die Leute ein bisschen zu verachten, die wirklich denken, dass ein K.I.Z.-Konzert ihr Leben verändert hat.

Phase VII - Kontrollverlust
Die Kontrolle verlieren. Anscheinend sollte ich nun die weiteren Tourdaten recherchieren und mir Karten für das einzige nicht ausgebuchte Konzert in Saarbrücken besorgen. Hm. 

Phase VIII - Akzeptanz
Dem Guide nach, soll ich mir nun eingestehen, dass ich eine Sucht habe. In Wirklichkeit sollte ich mir aber vielleicht doch eher eingestehen, dass ich das Konzert eigentlich schon ziemlich gut fand und es auch nicht so dramatisch wäre, würde die Mauer aus Ironie in sich zusammenfallen und ich sagen würde, dass ich schon ein bisschen traurig bin, dass es schon so schnell vorbei war.

Phase IV - Leben
Okay, die Depression ist überwunden. Endlich kann ich wieder an das Konzert denken, ohne direkt in einen viertelstündigen Heulkrampf auszubrechen.  

Ja, für mich sind diese Phasen vielleicht ein bisschen zu romantisch und ich könnte mich nicht ernst nehmen, würde ich wirklich glauben, dass ein Konzert mein Leben verändert hat und mich danach niemand versteht. Ich glaube daran, dass Konzerte einen bewegen und berühren können, aber von weitergehenden Auswirkungen konnte ich noch nicht überzeugt werden. Ich werde weiter auf Konzerte gehen und im Anschluss dann vielleicht die ein oder andere Phase überspringen.

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