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Kurt Cobain, Verschwörungstheorien und ich

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Tupac hat John Lennon umgebracht und Robert F. Kennedy hat höchstpersönlich ein Flugzeug ins World-Trade-Center. Avril Lavigne hat die Mondlandung gefälscht und Jim Morrison und Elvis Presley leben in einer gemütlichen WG in der Pfalz und kiffen so viel, dass sich Chemtrails am Himmel bilden. Oder so ähnlich.

(CC BY 2.0) BadSwan / flickr.com

So ganz genau komme ich aber auch nicht mehr mit. Wahrscheinlich gibt es sogar mehr Verschwörungstheorien als populistische Tweets von Donald Trump. Wer mit einfachen Wahrheiten was anfangen kann, der ist bei beiden gut aufgehoben. Wenn der maßgeschneiderte Aluhut erst auf dem Kopf platziert ist, erscheint alles gar nicht so mehr so komplex. Und Komplexität ist ja auch so anstrengend und erzeugt nur Kopfschmerzen. Deshalb kann es vielleicht sogar ganz schnell gehen, einer Verschwörungstheorie zu verfallen.

Surprise, surprise, mir ist das schon einmal passiert. Ich war 14 und der Zenit der Pubertät stand kurz bevor. Mit meinen Hemden von Urban Outfitters (Weihnachtsgeschenk von Mama), einer beigen Strickjacke und Boots von H&M (eigentlich wollte ich DocMartens, aber dafür reichte das Taschengeld nicht) fühlte ich mich sehr grunge.

Und damals gab es für mich nur eine Wahrheit: Courtney Love hat Kurt Cobain umgebracht.

Und der Weg zur Wahrheit ist tatsächlich gar nicht kompliziert und anstrengend, man muss eigentlich nur die Seite „http://www.gerechtigkeitfuerkurt.de/" aufrufen.  Dann steht der kurzzeitigen Erleuchtung eigentlich nichts mehr im Wege. Nicht nur besticht die Seite durch hochqualitativen Content, sondern auch durch geschmackvolle Gestaltung. Hier war anscheinend ein HTML-Virtuose vom allerfeinsten am Werk. In den Zeilen unter der Überschrift „Diese Seite ist Kurt Cobain gewidmet“ (er ist sicher sehr dankbar) erfährt man endlich, wie der Musiker wirklich gestorben ist. Vor allem aber, dass Courtney der Satan höchstpersönlich ist. Denn es war natürlich kein Selbstmord, Courtney hat jemanden beauftragt, um Kurt zu töten. Kurt wollte nämlich schon lange die Scheidung von Courtney und galt unter Freunden nicht als selbstmordgefährdet. Außerdem hätte er die dreifache tödliche Dosis Heroin im Blut gehabt, hätte sich also gar nicht mehr erschießen können. Zudem hätten keine lesbaren Fingerabdrücke auf dem Gewehr gefunden werden können. Auch nicht auf dem Kugelschreiben, mit dem der Abschiedsbrief geschrieben wurde. Das Ganze sollen verschiedene Dokumente belegen.

Die deutsche Webseite ist eine exakte Übersetzung des englischen Originals. Diese existiert gar nicht mehr (ZUFALL????? IST COURTNY SHCULD???). Tom Grant, der hier oft zitiert wird und von Courtney persönlich als Privatdetektiv angeheuert wurde, zweifelt ebenfalls an der „offiziellen“ Geschichte. Auch er trug seinen Beitrag zur Theorie auf einer separaten Website zusammen. 2015 wurde das Doku-Drama „Soaked in Beach“ (DT: Kurt Cobain - Tod einer Ikone) veröffentlicht und beschäftigt sich mit dem „Mordfall“ und zwar aus der Sicht des Privatdetektiven. Das Fazit ist keine Überraschung: Es war kein Selbstmord.

Für mich kam das Doku-Drama ein bisschen zu spät, Grunge-Viola war bereits aus ihren schwarzen Stiefeln rausgewachsen. Abgesehen davon, dass sowas in ein ziemlich zeitaufwendiges und -verschwendendes Hobby ausarten kann, bin ich dafür, dass man diesen Menschen tot sein lassen sollte. Bestimmt hätte ich in der Zeit durch Lernen meine Französischnote verbessern können, dabei ist die Verschwörung um Kurts Tod noch relativ harmlos und klein. Sie hat nichts mit Reptilien, Antisemitismus oder Impfgegner:innen zu tun, die ihre Thesen auf Pseudomedizin stützen und andere in Lebensgefahr bringen.
Diese OhmeinGottKurtCobainhatsichnichtumgebrachtCourneyLoveistschlimmeralsHitler-Phase dauerte bei mir vielleicht eine Woche. Ob es mich dann gelangweilt hat oder grunge schon wieder out war, weiß ich gar nicht mehr.

Gerade trage ich übrigens ein Nirvana-Shirt.

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