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Unbeschreibliche Gefühle

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Stell dir vor, du fühlst dich irgendwie, kann es aber nicht beschreiben. Nicht, weil dir ein bestimmtes Wort nicht einfällt, denn du hast schon dreimal die den kompletten Duden gewälzt und trotzdem kein adäquates gefunden, das es genau trifft. Dann die erschütternde Einsicht: Den Begriff gibt es in deiner Sprache einfach nicht gibt.

(CC-0) blickpixel / pixabay.com

  •  Ein einfaches und recht bekanntes Beispiel findet sich im Deutschen, in der es kein Wort für „nicht durstig sein“ gibt. Der Versuch, diese Lücke durch einen Wettbewerb mit „sitt“ zu schließen, ist gescheitert. 
  •  „Ich habe Hunger auf fyllekäk“. Das könnte man sagen, wenn man zu später Stunde auf dem Heimweg ist, einen gewissen Anteil Restalkohol im Blut hat und gerne noch eine Mahlzeit zu sich nehmen würde. Vermutlich wird man sich nun keinen saftigen Salat zusammenstellen oder einen grünen Smoothie mixen, sondern eher zu Fast Food, Pizza oder Döner greifen; „fyllekäk“ ist schwedisch und beschreibt genau die Art von Essen.
  •  Bleiben wir im Norden Europas, stößt man auf das Wort „kehdata“, was so viel heißt wie „etwas tun, obwohl es vielleicht Peinlichkeiten folgen könnten“. 
  • Schläft ein mal eine Extremität ein, was mir, glaube ich, häufiger passiert, als dass ich wirklich schlafe, könnte man sich „kesemutan“ aus dem Indonesischen borgen. „semut“ bedeutet Ameise, „kesemutan“ beschreibt das Gefühl nach Tausenden von Ameisen, die durch das betroffene Körperteil krabbeln.

Sucht man ausschließlich nach positiven Gefühlen, findet man vielleicht im „Positive Lexicography“ sein Glück. Auch in einem thailändischen Kochbuch, aber das ist eine andere Geschichte. Es geht auch um unbeschreibliche Gefühle bzw. um Wörter für Gefühle, die es im Englischen nicht gibt, in anderen Sprachen aber schon. Das ganze ist ein Projekt eines Psychologen und Musikers der University of East London. Schon über 1000 Gefühlszustände haben es mittlerweile in das Lexikon geschafft. Bei der Entwicklung verlässt sich der Macher hauptsächlich auf Literaturrecherche, ruft im Internet aber auch immer wieder Menschen auf, ihm Korrekturen und neue Vorschläge zu schicken. Auf der Website sind Wörter nach Gefühlskategorien geordnet und demnach relativ einfach zu finden.

  • „Samar“ (سمر) beschreibt z.B. das Gefühl, das man hat, wenn man während eines Sonnenuntergangs ein Gespräch führt. „恋の予感“(Koi no yokan) ist japanisch und kann man sagen, wenn man einen Menschen trifft und weiß, dass man es nicht verhindern kann, sich zu verlieben. Schon kitschig. 
Dann lieber etwas mit mehr Realität: 

„iktsuarpork“. Das ist kein Name für ein neues Möbelstück von IKEA, sondern benennt das Gefühl, wenn man auf jemanden wartet und immer wieder checkt, ob er oder sie nun kommt.

Die Inuit sind in dem Kontext auch unabhängig von dem Lexikon ein berühmtes Beispiel für ein Volk, das mit sprachlicher Vielfalt den Schnee beschreibt. Lange wurde angenommen, dass sie die Spitzenreiter wären, denn Zeit im Schnee zu verbringen, ist offensichtlich ziemlich unvermeidbar. Aber falsch gedacht. Die Schotten übertrumpfen sie nochmal mit unglaublichen 421 Wörtern.

Also falls euch mal die Worte fehlen, schlagt das Gefühl nach und macht die Sprache vielfältiger.

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