Nebenjob - (m)eine Hassliebe
Verfasst von Eva Binkert am
Kennt ihr das? Sprint von der Uni zum Restaurant, schnell die Schürze um, alle freundlichen Floskeln von „guten Aaaaabend“ bis „haben Sie noch einen Wuuunsch?“ abrufen und dann mit eingemeißeltem Lächeln zum Tisch mit den sedierten, kaffeenippenden Rentnern eilen. „Darfs noch ein Stück Kuchen sein?“
Von
den roten Zahlen auf dem Konto zum Opportunismus gezwungen, scanne
ich jeden einzelnen neuen Gast automatisch auf
Trinkgeldspendabilität. Junge Familie mit Kinderwagen und Hund?
Scheiße, das gibt höchstens ein „Runden Sie auf – die 60 Cent
sind für Sie!“. Vielen Dank! 2 Pärchen Mitte 50, die sich sehr
offensichtlich bemühen müssen, einander zu beeindrucken: Jackpot.
Unter den Augen des konkurrierenden Paares gilt auf jeden Fall die
10-15 Prozent-Regel.
Zwischendurch noch einige geflüsterte
Zickereien und Reviermarkierungen hinter der Ausschanktheke. „Du
bist neu oder? Geh erst mal putzen!“ Die Gastro mit ihrer streng
hierarchischen Hackordung bietet beste Lebensbedingungen für
herrschsüchtig-cholerische Lebewesen. Ich denke an meine Oma, wie
sie mir Vorträge über das Drüberstehen und Demut hält und greife
zum Putzlappen um die blitzenden Oberflächen nochmal zu polieren.
Beim
Schrubben, den Bick immer an den lieben Gästen heftend, reflektiere
ich meine Hassliebe zu meinem Nebenjob. Niemals will ich darauf
verzichten, ab und zu mal richtig Hand anzulegen, zackig und
selbstwirksam durch die voll besetzten Räume zu eilen, dabei einige
Teller balancierend. Die witzigen Gespräche mit den Köchen, das
leckere Essen zwischendurch und ja, sogar die Putzerei macht mir Spaß
(wenns sie nicht so offensichtlich der Schikane dient). Dass mich der
Umgangston hinter den polierten Oberflächen manchmal auch ans
Militärische Metier erinnert, kann ich MEISTENS wegstecken.
Was
solls? Sage ich mir – bleib cool. Denk an Oma.