Disco
ein DJ-Set in Borderclash
Disco? Abba? Die Musik, die auf der Kirmes läuft? Das mit den dummen Texten und dem stumpfen Beat?
Kaum ein anderes Genre wurde und wird so viel missverstanden wie Disco: nur selten ist die Assoziation mit dem Begriff die von Befreiung.
Befreiung einer weltweiten Generation von Schwulen, von Schwarzen, von Tanzwütigen - Disco ist der Beginn von dem, was wir bis heute als Clubkultur kennen.
Der Beginn des Djings. Mit den besten Soundsystems der Welt, und einer völligen Neuheit: Dem DJ als Musiker, als Zeremonienmeister, als Regent der Nacht und der Tanzfläche.
Der erste Edit und der erste Remix.
Disco ist die eine, Reggae die andere Wurzel von HipHop, der ohne Discobreaks - Drums-only-Stellen mitten im Stück - undenkbar wäre.
Breakdance wurde zuerst in schwulen Discoschuppen getanzt.
In Disco gab es 1976 die erste Maxi-Single bzw. 12" mit einer extended Version von Jesse Greens "Nice and Slow".
Disco war der Grundstein zu House Music, und Disco war die erste richtige Produzentenmusik, die im Studio entstand, an Geräten, von Tontechnikern und Mischern gemacht.
Was heute so selbstverständlich ein Teil selbst der konservativsten Jugendszene ist - mal eine Nacht mit oder ohne legale und illegale Drogen durchzuTANZEN - war Anfang, Mitte der siebziger Jahre ein Kuriosum. Hippies wollten chillen und bunte Lampen anschauen während Heroin, Haschisch oder LSD sie an irgendwelche Sofas fesselte. Die Normalbevölkerung wollte tanzen - aber bitte am frühen Abend, und nur Mann mit Frau, das jeder für sich tanzt oder gar alle zusammen, war undenkbar.
Das Männer mit Männern tanzten, war sogar schlichtweg verboten - und das in einem Club, Schwarze, Weisse und Hispanics aufeinander trafen und miteinander tanzten, mindestens ungewöhnlich.
Aus den ersten privaten Parties in Fabrikhallen entwickelten sich riesige Clubs, wie das Studio 54 für die reichere, weiße, hippe Oberschicht, die legendäre Paradise Garage unter der Regie des Gottes aller DJs, Larry Levan für die größtenteils schwarzen Musikliebhaber, und Läden wie das Saint, mit seinem riesigen Balkon um und über der Tanzfläche, der nur einen einzigen Zweck hatte: dass man im Club sofort Sex haben konnte.
Die offen zur Schau gestellte Homo- oder Polysexualität, die "ethnische Vermischung" (oder anders gesagt, der Fakt, das Musik von Schwarzen die Charts dominierte), die illegalen Drogen - all das mag dazu geführt haben, dass es zum Höhepunkt des Erfolges von Disco gewalttätige Ausschreitungen von Rockfans gab, bei denen Schallplatten mit Dynamit gesprengt, "Disco Sucks" skandidiert wurde und die Polizei Festnahmen machen musste.
Daraufhin begann man, Discoplatten "Dancemusic" zu nennen.
Disco in seiner ursprünglichen Form ist gestorben, nicht an seinen "Feinden", sondern genau wie der Großteil seiner Protagonisten - an AIDS.
Aber es bleibt, in der Musik, eine Ahnung davon, was diese Nächte zu dieser Zeit bedeutet haben, für eine rasend schnell anwachsende Gruppe von Männern und auch Frauen, die ihre Sexualität, ihre Kleidung, ihre Definition davon was Nacht und was Tag zu sein hat, all das erstmals nach ihren eigenen Regeln lebten - Befreiung, Chancengleichheit, Sex.
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ein Dj-Set von Mattes Schwarz - im Studio tanzt Nina Fiedler
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Playlist:
1.lowrell - mellow mellow right on (lowrell) AVI rec.
2.hi - gloss - you'll never know (-) jupiter rec.
3.a taste of honey - rescue me (twice as sweet) capitol rec.
4.teena Marie - behind the groove (12?) motown
5.juggy jones - inside america part one (disco dogs) disco dog rec.
6.herbie man - superman (superman) atlantic rec.
7.war - galaxy (galaxy) mca rec.
8.vaughan mason and crew - bounce, rock, skate, roll (bounce, rock, skate, roll) brunswick rec.
9.raw silk - do it to the music ( 12?) westend rec.
10.aaleem - release yourself (get down friday night) the nia rec.
11. bozz scaggs - lowdown (discosingle) columbia rec.
12.sherrie payne - la conga (when i looked at your face) marcy music
13.taana gardner - work that body (12?) westend rec,
14.trussel - love injection (love injection) electra/asylum rec.
15.dexter wansel i'll never forget(myfavourite disco) ( slipping away) cbs rec.
16.lauren rinder & w. Michael lewis - lust (seven deadly sins) avi rec.
17.sky - first time arround (12?) salsoul rec.
18.stevie wonder - as (12?) motown
19. patrice rushen haven't your head pizzaz) electra/asylum rec.
20.roy ayers - kwajilori (sir piers remix) (virgin ubiquity remixed lp5) rapster rec.
21.terrence parker - tribute to ep (intangible rec,