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Blickwechsel | Gezweite Einheit

Verfasst von Daniel Gojic am

Am 3 Oktober 1989 passiert in ganz Deutschland an sich nichts wirklich relevantes. Das eigentliche Ereignis, welches wir alle am 3 Oktober feiern, wird sich erst nächsten Monat, am 9 November, ereignen. Der berühmte „Antifaschistische Schutzwall“ wird fallen und aus den Staaten BRD und DDR wird ein geeintes Deutschland. Allerdings hat der 9 November dank der Reichspogromnacht im Jahr 1938 einen faden Beigeschmack in diesem Land. So entschied man sich dann den Tag der formellen Einheit, den 3 Oktober 1990 als offiziellen Tag der deutschen Einheit zu feiern.
Knapp 30 Jahre ist das jetzt her, dass sich zwei unterschiedliche Ideen und politische Richtungen dazu entschieden, in Zukunft einen gemeinsamen Weg zu gehen. Genug Zeit um sich gegenseitig anzunähern, gegenseitig anzugleichen und vor allem um den „anderen“ neu kennen zu lernen. Doch, glaubt man der Medienlandschaft da draußen, scheint in all den Jahren genau das Gegenteil stattgefunden zu haben.
Die Behauptung der Medien lautet nämlich: Im Osten sind alle Menschen rechtsextrem oder populistisch und im Westen sind nur Flüchtlinge. Im Osten sind nur Arbeitslose und im Westen diejenigen, die alles finanzieren und deshalb dem unterbelichteten Ossi alles von oben herab aufdrücken können. Vorurteile über Vorurteile prägen das Verhältnis dieser beiden Seiten. Und vor allem teilen wir, auch fast 30 Jahre nach dem Mauerfall, das Land gedanklich immer noch in Ost und West ein.

Genau dieses Problem kann man gar nicht oft genug betonen, denn genau um diese Problematik scheint man sich 30 Jahre zuvor kaum gekümmert zu haben. Man könnte nun wieder mit Zahlen und Statistiken um sich schmeißen um Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West aufzuzeigen. Das machen unsere Kollegen von Spiegel, Monitor, Stern… schon zu genüge. Es würde nur wenig nützen.
Denn Fakt ist, dass es in Köln genauso Pfandflaschensammler gibt wie beispielsweise in Dresden oder Leipzig. Auch in den „alten“ Bundesländern muss man monatelang auf einen Arzttermin warten oder bei akuten Problemen stundenlang in der Ambulanz ausharren. Bezahlbarer Wohnraum ist in dicht besiedelten Gebieten in ganz Deutschland ein Problem. Und Rechtsextreme, die skandierend durch die Städte ziehen, gibt es auch im Westen, siehe Dortmund.
Die Probleme der Menschen sind also letztendlich im ganzen Land die selben. Auch wenn die Relation punktuell hier und da unterschiedlich sein kann, so teilen wir aber im Endeffekt alle die gleichen Sorgen. Doch anstatt, dass sich alle zusammen setzen, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, scheint man viel eher dazu zu neigen, sich gegenseitig den Zeigefinger auszustrecken und in Pauschalisierungen und Vorurteile zu verfallen. Das wir uns dadurch aber nur im Kreis drehen und zumindest gedanklich seit fast 30 Jahren nicht voran kommen, scheint irgendwie unterzugehen.
Vielleicht wäre es ratsam sowas wie einen Neuanfang zu wagen, um sich auf beiden Seiten nochmal neu kennen zu lernen. Denn es ist nicht wahr, dass Menschen aus dem Westen den Sachsenpaule als einziges Kulturgut Sachsens kennen. Und liebe Wessis, es ist nicht Wahr, dass im Osten nur Rechtsradikale und Populisten herrschen. Auch wenn die AfD im Osten ihre größten Erfolge feiert, so hat sie nirgendwo die absolute Mehrheit erlangt. Und schon gar nicht 100 Prozent.

Öffnet also die ausgestreckten Zeigefinger und schüttelt euch die Hände. Für die Zukunft wäre das zumindest wesentlich hilfreicher als auf gegenseitigen Vorurteilen rum zu hacken.

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