Träumen unter den Sternen
Verfasst von Jacqueline Engelhardt am
Was haben Kinos und Planetarien gemeinsam? Mehr als gedacht. Der Blick wird auf eine Projektionsfläche geworfen, die zum Staunen und Träumen einlädt. Die Verschmelzung dieser beiden Begegnungsstätten ist dem Kölner Dokumentarfilmkollektiv Dokomotive gelungen. Am Freitag, den 17. November 2023 fand ein Film Screening der besonderen Art statt. Die Doku „5 Dreamers and a Horse“ von den armenischen Regisseuren Aren Malakyan und Vahagn Kachatryan wurde im Planetarium in Nippes aufgeführt.
Das Kölner Dokumentarfilmkollektiv Dokomotive
Das Konzept des Kollektivs ist es, eine neue Brücke zwischen Dokumentarfilmen und dem Publikum zu schlagen. Das passiert seit 2018 auf drei verschiedenen Ebenen: eine immersive Filmvorführung, die Veröffentlichung des Films als Video-On-Demand auf der eigenen Vimeo-Plattform sowie die Veröffentlichung eines sogenannten Filmdiskurses, also eines Interviews mit den Filmemacher*innen auf der Webseite und YouTube. Alle Dokomotive-Mitglieder sind selbst Filmemacher*innen und engagieren sich in ihrer Freizeit beim Kollektiv, weil sie „die Liebe, die [sie] in die Filme stecken auf Präsentationsebene vermissen“, so Stefco, der dem Kernteam angehört.
„Wir wollen Events schaffen, die nachhaltig beim Publikum verbleiben und ein Bewusstsein schaffen für den künstlerischen Dokumentarfilm. Dieses Universum an krassen Filmen, von denen man noch nie was gehört hat.“
Der armenische Dokumentarfilm „5 Dreamers and a Horse“ wurde bereits auf Filmfestivals in der Schweiz, Frankreich, Kanada und Deutschland aufgeführt. Der Verleih oder ein Kinostart seien allerdings schwierig. Filmvorführungen wie die der Dokomotive können eine der wenigen Möglichkeiten sein, einen Dokumentarfilm überhaupt zu schauen.
Das Planetarium in Nippes
Analog zur Handlung des Films ist auch das Planetarium selbst auch aus einem Traum heraus entstanden: es wurde von dem ehemaligen Schulleiter des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums in Köln-Nippes Dr. Hermann Gundermann in den 60ern gegründet. Dieser hat sich schon immer für Astrologie begeistert und hat sich mit Hilfe der Schüler*innen des Gymnasiums den Traum von einem Planetarium verwirklicht. Das einzige Planetarium Kölns befindet sich bis heute im Keller des Gymnasiums und wird ehrenamtlich betreut. Die zahlreichen kosmologischen Malereien in den Ausstellungsräumen wurden von den Schüler*innen angefertigt und sind auch 80 Jahre später noch sehr gut erhalten. Daher fühlt sich ein Rundgang durch die Räumlichkeiten wie eine Reise durch die Zeit an. Das Highlight des Planetariums befindet sich einige Stufen tiefer im Keller: der Planetariumsprojektor, der den Kölner Sternenhimmel projiziert. Der Raum hat eine kuppelförmige Decke und ist mit 30 Sesseln ausgestattet, welche zum Hinaufschauen einladen. Dieser besondere Raum wurde vom Kollektiv Dokomotive für die Filmvorführung von „5 Dreamers and a Horse“ ausgewählt.
Ein besonderes Filmscreening
Eine flache Filmprojektion auf eine Kuppel zu übertragen – das war die Herausforderung dieses Events. Gelungen ist das Vorhaben mit Hilfe einer Triptychon-Projektion, also einer dreifachen Ausführung. Die etwa 25 Besucher*innen der Veranstaltung verteilten sich in den kleinen Raum, in der Mitte blieb der Planetariumsprojektor zunächst unbenutzt. Nach ein paar kurzen technischen Schwierigkeiten boten die drei nebeneinanderliegenden Bildflächen ein spannendes Zusammenspiel. Gerade bei Kamerafahrten wirkte die Bewegung bei den zwei anliegenden Projektionen wie ein Katalysator. Der Film selbst handelt von vier Protagonist*innen in drei lose zusammenhängenden Handlungssträngen. Der Bauer Karen ist in einem Dorf auf der Suche nach einer Ehefrau. Die Freundinnen Sona und Amasia träumen auf dem Dach eines Krankenhauses von queerer Akzeptanz in der armenischen Gesellschaft. Die Aufzugführerin Melania träumt von einem Leben als Astronautin – hier wird die Brücke zur Vorführungsstätte geschlagen.
Nach dem Film wurde der Planetariumsprojektor von einer Mitarbeiterin gestartet und es gab eine kurze Einführung über den Kölner Nachthimmel. Die Faszination der Protagonistin des Films Melania konnten ab diesem Punkt wohl alle Anwesenden nachvollziehen. Danach fand ein Filmgespräch mit der Koproduzentin des Films Eva Blondiau der Kölner Produktionsfirma Color of May statt. Besonders das Ende des Films, welches auch die harte Realität des Bergkarabach-Konflikts eingeht, wurde im Publikum diskutiert.
Fazit
Eine immersive Filmerfahrung zu schaffen – das ist das Ziel der Special Screenings der Dokomotive. "Der Ort war sehr spannend, es hat Spaß gemacht [das Planetarium] zu erforschen […] und hat sehr gut zum Film gepasst. Es hat zum Träumen eingeladen", so Teresa Hartmann, eine Besucherin. Für die Zukunft sind Screenings des Films „Ladies Only“ (Regie: Rebana Liz John), der in Frauenabteile von Nahverkehrszügen in Indien spielt, und „Holy Dilemma“ (Regie: Julianna Ugrin, Márton Vízkelety), der von einem katholischen Priester mit Doppelleben handelt, geplant. Mögliche Vorführungsstätten seien jeweils ein fahrender Zug und eine Kirche, so Stefco von der Dokomotive.