Berlinale 2008 - 9. Tag: Damenbesuch!

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Philip schreibt:
Am letzten Wettbewerbstag herrschte dann noch mal Trubel auf dem Festivalgelände, denn zwei hübsche Frauen sollten aufmarschieren: Scarlett Johansson und Natalie Portman, die gemeinsam mit dem Unglaublichen Hulk Eric Bana ihren Kostümfilm THE OTHER BOLEYN GIRL (DIE SCHWESTER DER KÖNIGIN) präsentieren sollten. Bei so viel Schönheit wurden in den Verlagshäusern selbstverständlich die Farbtoner schon einmal sicherheitshalber nachgeladen, aber das ist auch fein so, schließlich tut der Berlinale - nach einigen eher unglamourösen Tagen - dieser letzte Stoß an Medienaufmerksamkeit auch herzlich gut. Der Film selbst erwies sich dann auch als überraschend wohlgefällig: das Drehbuch über die beiden Boleyn-Schwestern, von denen erst die eine dann die andere zur Mätresse von König Heinrichs VIII. wurde, ist angenehm vielschichtig und auch die (eher untypisch besetzten) Darsteller machen ihre Arbeit gut. Leiden tut der Film ein wenig an seiner hölzernen Inszenierung und dem HD-Material auf dem er gedreht wurde. Während bei Historienfilmen auf Filmmaterial meist schon wenige Bilddetails ausreichen, um ein glaubhaftes Tor in vergangene Zeiten zu schaffen, wirken die HD-Bilder von THE OTHER BOLEYN GIRL durch ihre unglaubliche Schärfe trist und gekünstelt. Alles in allem steht der Film - im Guten wie im Schlechten - eher auf dem Niveau von klassischen BBC-Fernsehmehrteilern als der typischen Hollywood-Kostümschmonzette. Ich schätze, an der Kinokasse wird THE OTHER BOLEYN GIRL also eher zu Gift.
Sicherlich noch viel weniger Hoffnung auf einen kommerziellen Erfolg macht sich BALLAST, ein Wettbewerbsbeitrag aus den USA. Der Film führt uns in die winterliche Einöde des Mississippi-Deltas, wo die Seelenlandschaft der Einwohner mindestens ebenso trist aussieht. BALLAST (der Titel lässt es wohl schon vermuten) erzählt schwere Kost; es geht um Suizid, Schuld, Wiedergutmachung und Vertrauen. Regisseur Lance Hammer verlässt sich dabei ganz auf ungekünstelte Handkamerabilder, eine in Grau getünchte Farbpalette und harte, gnadenlose Schnitte. Musik gibt es im ganzen Film keine und auch gesprochen wird nur wenn es sein muss. Das alles macht BALLAST zwar nicht unbedingt zum idealen Film, um ein durchaus anstrengendes Filmfestival ausklingen zu lassen - interessant ist diese Charakter- und Milieustudie aber schon. Der Film bewegt durch die zunehmende Annäherung der Charaktere zueinander, auch wenn sein plötzlicher Schluss den Zuschauer dann doch grob vor den Kopf stößt.


Sven schreibt:
Zunächst zwei Filme im Wettbewerb außer Konkurrenz: los ging es mit Andrzej Wajdas Kriegsdrama "Katyn" aus Polen. Gegenstand ist das Massaker, das Sowjettruppen 1940 unter polnischen Armeeangehörigen anrichteten. Erzählt wird "Katyn" dabei nicht nur aus militärischer bzw. politischer Sicht, sondern auch aus der Perspektive der betroffenen Familien. Aus Termingründen nur die erste Hälfte gesehen, und die hinterher diskutierten drastischen Hinrichtungsszenen nicht mitbekommen. Soweit aber ein ruhiger und kühler Film mit Musik von Krzysztof Penderecki.
Mit "Die Schwester der Königin" gab's dann wieder starbesetztes Hollywood-Kino. Natalie Portman spielt Anna Boleyn und bemüht sich um die Hand Heinrichs VIII. (Eric Bana); ein besonderer Fokus liegt dabei auf Annas geschichtlich vernachlässigter Schwester Mary (Scarlet Johannson), die schon zuvor mit dem notorischen Frauenverschleißer im Bett war. Das im ganzen langweilige und unbefriedigende Historiendrama brüstet sich mit seiner hohen Auflösung, aber der Wahn, optische Brillanz auch im Kino steigern zu wollen, muss sich hier kritisch beäugen lassen: Spielfilme sind nicht echt, und deswegen ist das Streben nach höherer Auflösung zwangläufig damit verbunden, dass (zumindest tendenziell) hinterher alles unechter aussieht als vorher. Und überhaupt kann gutes Handwerk und eine ordentliche Geschichte schon mal gar nicht durch modernstes technisches Brimborium aufgewogen werden. Die anschließende Pressekonferenz, zu der ich wollte, um Natalie Portman und Scarlett Johannson zu belästigen, war leider so überlaufen, dass man mich nicht einließ.
Der letzte Wettbewerbsbeitrag der Berlinale schließlich war das US-amerikanische Drama "Ballast" über eine bitterarme und zerrüttete schwarze Kleinfamilie in Mississippi, die neben den Problemen, die sie sowieso schon hat, auch noch jede Menge Vergangenheit bewältigen muss. Im Dogma-Stil gefilmt, triste blaustichige Bilder, ausgesprochen wortkarg - mithin recht anstrengend und obendrein humorlos. Immerhin nicht so furchtbar überfrachtet wie manch anderer sozial engagierter Film. Trotzdem eingeschlafen.
Dann noch in der Bunuel-Retro in "Viridiana" gewesen.

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